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Jugend! Deutschland 1918-1945
Editionen zur Geschichte
Didaktik & Schule

Die Schule war bis 1933 neben der Familie der unumstrittene Ort kindlicher und jugendlicher Erziehung und Ausbildung. Mit der NS-Machtübernahme wurde hier allerdings nicht mehr nur unterrichtet, sondern häufig auch massiv ideologisch beeinflusst. Außerdem versuchten die Nationalsozialisten zunehmend verschiedene Formen von Lagererziehung zu etablieren, in deren Rahmen eine Indoktrination und Wehrerziehung noch effektiver möglich war. Im Krieg wurden die so beeinflussten Heranwachsenden dann zunehmend zu Kriegshilfsdiensten der unterschiedlichsten Art herangezogen.

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"Ausgewischt ist die Schmach von 1918!" - Jugend und NS-Kriegspropaganda

Als am 1. September 1939 mit dem deutschen Überfall auf Polen jener Krieg begann, der schließlich fast die gesamte Welt in Flammen aufgehen lassen sollte, erkannte ein weitblickender Kölner die diesen Tagen innewohnende Brisanz unmittelbar: „Die europäische Explosion wird gewiss die ganze Welt in Mitleidenschaft ziehen", schrieb Max Schönenberg, ein später in Theresienstadt ermordeter jüdischer Arzt, am 5. September 1939 seinem nach Palästina emigrierten Sohn.

Solche Ängste wurden jedoch von den meisten Deutschen zunächst nicht geteilt. Wenn es auch keine mit dem August 1914 vergleichbare Kriegsbegeisterung gab, so sah die große Mehrheit in der deutschen Aggression kein Unrecht, sondern viel eher einen folgerichtigen Schritt, um endlich angeblich berechtigte Ansprüche einlösen zu können. „Ausgewischt wird die Schmach von 1918!", notierte ein Kölner anlässlich des Kriegsbeginns und brachte damit auf den Punkt, was wohl die meisten jenseits aller vorhandenen Ängste damals empfanden. Für sie stand außer Frage, dass alle Befürchtungen beiseitezutreten hatten, wenn es darum ging, den gemeinhin als „Schanddiktat" bezeichneten Versailler Vertrag von Juni 1919 zu revidieren und das „Vaterland" zu verteidigen. „Wie schon 1813, 1870/71 und 1914/18, so auch heute aus treuem starken Herzen: O Deutschland hoch in Ehren!", kommentierte ein weiterer Kölner gegenüber seinem 15-jährigen Sohn den Kriegsbeginn. Und der Rektor einer Kölner Volksschule rekapitulierte die durchaus als zwiespältig empfundene Situation: „Jeder weiß, was ein Krieg bedeutet. Aber: Wir müssen und wir werden siegen!"

Eine solche Sichtweise war der deutschen Bevölkerung quer durch alle damaligen Medien seit 1933 immer wieder vermittelt worden. Der Versailler Vertrag, so teilte etwa der „Kölner Stadt-Anzeiger" am 24. August 1939 mit, habe Deutschland „brutal verstümmelt" und sei „wider die Natur". „So sehr wir also den Frieden wollen", so die drohende Schlussfolgerung, müsse die „Einkreisung" des Deutschen Reiches beendet und ihm der für seine Entwicklung unverzichtbare „in der Mitte Europas gelegene Lebensraum" zugestanden werden. Was hier mittels der gelenkten Presse kurz vor Kriegsbeginn verbreitet wurde, war durch die deutsche Propaganda in den Jahren zuvor systematisch vorbereitet worden. So sollten „Wehrhaftigkeit" und Kriegsbereitschaft im öffentlichen Bewusstsein verankert und dem NS-Regime der Weg in den Krieg erleichtert werden.

Dabei konnte der NS-Staat auf eine Einstellung zum Krieg in der deutschen Bevölkerung zurückgreifen, die sich schon lange vor 1933 entwickelt hatte. Denn es war ja keinesfalls so, dass die NS-Propaganda nach der NS-Machtübernahme sozusagen bei „Null" anfangen musste. Auf wichtigen Themenfeldern, zu denen die Revision des Versailler Vertrages als wesentliches Element zählte, konnte sie auf gesellschaftlichen Grund- und Voreinstellungen aufbauen. Um hier zu einem tieferen Verständnis zu kommen, gilt es, sich zunächst einmal mit den Wirkungsweisen von Propaganda im Allgemeinen zu beschäftigen, um daran anschließend die Ausgestaltung der NS-Kriegspropaganda bis zum September 1939 genauer betrachten und beurteilen zu können. Denn mittlerweile weiß man, dass Propaganda das Denken und Handeln von Menschen in aller Regel nicht grundlegend verändert, sondern lediglich vorhandene Einstellungen verstärkt.

Untersuchungen zu diesem Problem orientieren sich aber zumeist ohne weitere Differenzierung an „der deutschen Bevölkerung". Es dürfte jedoch - so die hier zugrundeliegende Annahme - einen großen Unterschied ausgemacht haben, ob Erwachsene oder Kinder und Jugendliche mit permanenter ideologischer Beeinflussung konfrontiert wurden. Hatten Erstere vielfach konkrete Erfahrungen mit dem Ersten Weltkrieg, konnten Letztere die Propaganda nicht mit eigenen Vorerfahrungen abgleichen. Bis 1933 gar nicht oder kaum von festen Denkmustern geprägt, dürften sie für ideologische Beeinflussungen besonders offen gewesen sein. Daher steht die Untersuchung der entsprechenden propagandistischen Bemühungen im Zentrum der folgenden Analyse. Was unternahm das NS-Regime, um die Heranwachsenden auf eine unkritische Akzeptanz kommender Kriege vorzubereiten? Und was tat sie, um zugleich die damit von Beginn an verknüpfte Gewinnung von „Lebensraum im Osten" zu legitimieren? Das soll an Beispielen aus verschiedenen Bereichen jugendlichen Lebens auch bildlich verdeutlicht und in seiner Bedeutung für daraus resultierende Einstellungen und Haltungen hinterfragt werden.

zuletzt bearbeitet am: 19.04.2016