Suchen & Finden
Jugend! Deutschland 1918-1945
Editionen zur Geschichte
Didaktik & Schule
Lebenswelten

Jugendliche wuchsen nicht in „luftleeren“ Räumen auf, sondern in ihren jeweiligen Lebenswelten. Gerade zwischen 1918 und 1945 machte es oftmals einen erheblichen Unterschied, ob man auf dem Land oder in der Stadt aufwuchs, im katholischen oder im Arbeitermilieu, ob in einer bürgerlichen Klein- oder in einer bäuerlichen Großfamilie. Wie veränderten sich damals die Familienstrukturen, wie die schulische Erziehung? Außerdem bestimmten neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung zunehmend das jugendliche Leben und Streben.

Inhalt
Baum wird geladen...

Schule

Im 19. und vielerorts auch im 20. Jahrhundert waren sowohl in Dorfschulen als auch in den städtischen Elementarschulen eher das reine Lernen, nicht die Auseinandersetzung mit Büchern der wichtigste und oft einzige Lehrinhalt. Dabei wurden Disziplin und Strafen stark betont, so dass die sich durch autoritäre und disziplinierende Formen auszeichnende Volksschulerziehung nicht zuletzt dazu genutzt wurde, traditionelle Wertvorstellungen zu bewahren und die Kinder und Jugendlichen zur Anhänglichkeit an die Monarchie zu erziehen. Erst durch die Einführung von Schulbüchern und den damit verknüpften Leseunterricht sowie das Wirken ausgebildeter Lehrer waren in den Klassenzimmern deutscher Volksschulen zunehmend auch geistig mobilisierende Wirkungen auszumachen. Schule konnte nunmehr – wenn zumeist sicherlich auch nur in Maßen - die Ausbildung geistiger und mentaler Alternativen und eine Ausbreitung säkularisierten Denkens bei den Schülern bewirken.[1]

Der Besuch einer Schule galt bis zum Ende des Ersten Weltkriegs – und mancherorts noch weit darüber hinaus – sowohl in kleinen Bauerndörfern als auch in großstädtischen Arbeitervierteln, wo die informelle Ökonomie ländlichen Wirtschaftens von der „zweiten“ Ökonomie der Industriegesellschaft abgelöst wurde, häufig als lästige Beschränkung der seitens der Eltern als notwendig empfundenen häuslichen Mitarbeit der Kinder. Ob in der (Nebenerwerbs-) Landwirtschaft oder durch typische „boy labour“-Beiträge sahen sich zahlreiche schulpflichtige beginnend etwa mit ihrem siebten Lebensjahr gezwungen, zum gemeinsamen Familieneinkommen beizutragen. Dahinter hatte der Schulbesuch oft zurückzustehen.[2]

Ohnehin spiegelte die Entwicklung des allgemeinbildenden Schulwesens in seiner hierarchischen und undurchlässigen Struktur von Volksschule, Mittelschule und Gymnasium die Gesellschaftsformationen der damaligen Zeit deutlich wider, die insbesondere in der Differenzierung von Bürgertum und Arbeiterschaft und dem den gegensätzlichen Lebensstilen städtischer und ländlicher Gesellschaften zum Ausdruck kam.[3] Das alles führte letztlich dazu, dass allgemeinverbindliche schulische Standards auch im beginnenden 20. Jahrhundert noch lange ausblieben.

Dabei wiesen insbesondere die Abstände zwischen ländlichem und städtischem Schulwesen hinsichtlich der Relation von Lehrern und Schülern, der Differenzierung der Schultypen, sowie der Lehrerqualifikation und -bildung beträchtliche Unterschiede auf. Auf dem Land gab es praktisch ausschließlich Volksschulen, die so gut wie keine Übergangsmöglichkeiten zu weiterführenden Schulen boten. Damit wurden im schulischen Rahmen sowohl Klassenunterschiede als auch die Barriere zwischen Stadt und Land konserviert.

Hierzu eingangs einige Zahlen: Im Laufe der 1920er Jahre stieg die Zahl der Schüler, die eine weiterführende Schule besuchen konnten, immerhin an. Während im Jahre 1911 noch 9.120.255 und damit 90,3 Prozent aller deutschen Schüler Deutschlands die Volksschule besucht hatten, hatte sich deren Wert bis 1921 auf 88,8 Prozent (8.976.747) und – bei gleichzeitig stark sinkender Gesamtschülerzahl – 1926 auf 85,9 (6.702.171) verringert, um dann im Zeichen der Wirtschaftskrise bis zum Schuljahr 1931/32 wieder auf 88,3 Prozent (7.629.007) anzuwachsen. Hatten 1911 lediglich 3,2 Prozent (317.593) der schulpflichtigen Jugendlichen eine Mittelschule und weitere 6,5 Prozent (604.900) eine Oberschule besucht, verschoben sich die entsprechenden Prozent- und Zahlenwerte bis zum Jahre 1921 bzw. 1926 auf 3,3 Prozent (329.344) und 7,9 Prozent (720.030) bzw. 3,4 Prozent (271.474) und 10,7 Prozent (801.515), um sich dann 1931/32 – analog zum Anstieg des Anteils der Volksschüler – wieder auf 2,7 Prozent (229.671) und 9,0 Prozent (778.440) zu verkleinern. Das hieß somit, dass auch zum Ende der Weimarer Republik die Bildungschancen noch sehr ungleich verteilt waren und nahezu 90 Prozent der deutschen Mädchen und Jungen lediglich eine schulgeldfreie Volksschule besuchen konnten.[4]

Fußnoten

[1] Vgl. Troßbach/Zimmermann, Geschichte, S. 226. Es wird an dieser Stelle nur vergleichsweise kurz auf die Entwicklung des deutschen Schulsystems nach 1918 eingegangen. Eine ausführlichere Darstellung soll im Zuge des Ausbaus dieser Website als eigenständiges Thema erfolgen.

[2] Vgl. Peukert, Jugend, S. 84f.

[3] Vgl. Küppers, Schulpolitik, S. 23

[4] Zahlen nach Küppers, Schulpolitik, S. 27

zuletzt bearbeitet am: 13.05.2016