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Jugend! Deutschland 1918-1945
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Didaktik & Schule

Die Schule war bis 1933 neben der Familie der unumstrittene Ort kindlicher und jugendlicher Erziehung und Ausbildung. Mit der NS-Machtübernahme wurde hier allerdings nicht mehr nur unterrichtet, sondern häufig auch massiv ideologisch beeinflusst. Außerdem versuchten die Nationalsozialisten zunehmend verschiedene Formen von Lagererziehung zu etablieren, in deren Rahmen eine Indoktrination und Wehrerziehung noch effektiver möglich war. Im Krieg wurden die so beeinflussten Heranwachsenden dann zunehmend zu Kriegshilfsdiensten der unterschiedlichsten Art herangezogen.

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Vorwärts, vorwärts

Fahnenlieder und der nationalsozialistische Fahnenkult

Die Fahne mit dem Hakenkreuz war das zentrale Symbol im Nationalsozialismus, sie war, wie es im Handbuch für die Feiergestaltung der HJ, Die Feier, hieß, „ein besonders heiliges Zeichen, [...] ein Zeichen des Bekenntnisses und der Treue, in dem die Weltanschauung ausgeprägt ist."[1] Adolf Hitler schrieb über ihre Bedeutung in Mein Kampf: „Im Rot sehen wir den sozialen Gedanken der Bewegung, im Weiß den nationalsozialistischen, im Hakenkreuz die Mission des Kampfes für den Sieg des arischen Menschen und zugleich mit ihm auch den Sieg des Gedankens der schaffenden Arbeit, die selbst ewig antisemitisch war und antisemitisch sein wird."[2]

Der Bedeutung der Fahne gemäß, gab es in der NS-Zeit auch ein großes Korpus an Fahnenliedern. Typischerweise wird in ihnen die Hakenkreuzfahne symbolisch mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt: Der Kampf um die Fahne war dementsprechend immer der Kampf für den Nationalsozialismus, der Marsch unter der Fahne ein Bekenntnis zum NS-Staat.

Auch das offizielle Lied der HJ war ein Fahnenlied: Vorwärts, vorwärts mit dem Refrain „Unsre Fahne flattert uns voran". Der Text stammte von Reichsjugendführer Baldur von Schirach persönlich, vertont wurde das Gedicht von Hans-Otto Borgmann, einem bekannten Filmkomponisten. In dem Propagandafilm Hitlerjunge Quex, der unter dem Protektorat von Schirachs 1933 gedreht worden war, fungierte es als Filmmusik. Von dort verbreitete sich das Lied rasch in alle HJ-Einheiten - nicht zuletzt, weil alle Einheiten per Anordnung der Reichsjugendführung angehalten waren, den Film zu sehen.[3] Vorwärts, vorwärts wurde bald zum offiziellen Lied der HJ erhoben und musste wie das Deutschlandlied und das Horst-Wessel-Lied mit erhobenem Arm gesungen werden - anders als bei den Nationalhymnen allerdings nur während des Refrains.[4]

  • 1. Vorwärts! vorwärts! schmettern die hellen Fanfaren,
    Vorwärts! Vorwärts! Jugend kennt keine Gefahren.
    Deutschland, du wirst leuchtend stehn,
    mögen wir auch untergehn.
    Vorwärts! vorwärts! schmettern die hellen Fanfaren,
    Vorwärts! Vorwärts! Jugend kennt keine Gefahren.
    Ist das Ziel auch noch so hoch,
    Jugend zwingt es doch!
    Unsre Fahne flattert uns voran.
    In die Zukunft ziehn wir Mann für Mann.
    Wir marschieren für Hitler durch Nacht und durch Not
    mit der Fahne der Jugend für Freiheit und Brot.
    Unsre Fahne flattert uns voran.
    Unsre Fahne ist die neue Zeit.
    Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit!
    Ja! Die Fahne ist mehr als der Tod!
  • 2. Jugend! Jugend! Wir sind der Zukunft Soldaten.
    Jugend! Jugend! Träger der kommenden Taten.
    Ja, durch unsre Fäuste fällt,
    wer sich uns entgegenstellt.
    Jugend! Jugend! Wir sind der Zukunft Soldaten.
    Jugend! Jugend! Träger der kommenden Taten.
    Führer, wir gehören dir,
    wir, Kamraden, dir!
    Unsre Fahne ...[5]

Um die Fahne wurde in der HJ ein regelrechter Kult betrieben. Eine HJ-Fahne war nicht bloß ein Stück Stoff, sie wurde feierlich geweiht und stets mit besonderer Sorgfalt behandelt. Dementsprechend wurde sie auch in die Rituale der HJ eingebunden. Bei ihrer Aufnahme in die HJ, die jedes Jahr am 19. April, dem Vorabend von „Führers Geburtstag", stattfand, mussten die Pimpfe und Jungmädel versprechen, in der Hitler-Jugend allzeit ihre Pflicht zu tun „in Liebe und Treue zum Führer und unserer Fahne".[6] Und beim Übertritt in HJ und BDM am 20. April wurde nicht nur gelobt „dem Führer Adolf Hitler treu und selbstlos in der Hitlerjugend zu dienen", es wurde auch „bei unserer heiligen Fahne" versprochen, immer zu versuchen, „ihrer würdig zu sein".[7]

Sämtliche Aktivitäten der HJ wurden von Fahnen begleitet. Eigens ernannte Fahnenträger bzw. Wimpelträgerinnen trugen bei Märschen die Fahne voran, auf Lagern gab es morgens die Flaggenhissung mit Sprüchen, einer Ansprache und Liedern und abends den ähnlich gestalteten Flaggeneinzug. Und natürlich waren alle große Feierlichkeiten stets von Fahnenmärschen begleitet, besonders bombastisch die Reichsparteitage, zu denen die HJ ab 1934 jährlich in einem Sternmarsch, dem Adolf-Hitler-Marsch, ihre Bannfahnen aus allen Gebieten des Reiches trug.

Fahnenlieder spielten auf Märschen und Feiern stets eine tragende Rolle, dementsprechend gab es sowohl Marschlieder als auch Feierlieder, in denen die Fahne besungen wurde, darunter Jetzt müssen wir marschieren, ein Marschlied von Herbert Napiersky aus dem Jahr 1933: „Jetzt müssen wir marschieren, ich und mein Kamerad, in langen Reihen zu vieren; denn ich bin Soldat! Wissen wir auch nicht, wohin es geht, wenn nur die Fahne vor uns weht. Jetzt müssen wir marschieren, ich und mein Kamerad!"[8] Von Hans Baumann stammte das Feierlied Nun laßt die Fahnen fliegen (1934), das zu allen Fahnen- und Wimpelweihen gesungen wurde[9]:

  • 1. Nun laßt die Fahnen fliegen
    in das große Morgenrot,
    das uns zu neuen Siegen leuchtet
    oder brennt zum Tod.
  • 2. Denn mögen wir auch fallen -
    wie ein Dom steht unser Staat.
    Ein Volk hat hundert Ernten
    und geht hundertmal zur Saat.
  • 3. Deutschland, sieh uns, wir weihen
    dir den Tod als kleinste Tat;
    grüßt er einst unsre Reihen,
    werden wir die große Saat.
  • 4. Drum laßt die Fahnen fliegen
    in das große Morgenrot,
    das uns zu neuen Siegen
    leuchtet oder brennt zum Tod.[10]
Fußnoten

[1]      Roth, Hermann: Die Feier. Sinn und Gestaltung, Leipzig 1939, S. 50.
[2]      Hitler, Adolf: Mein Kampf, München 1940, S. 557.
[3]      Vgl. Verordnungsblatt der Reichsjugendführung vom 14.9.1933, Berlin 1933.
[4]      Vgl. Verordnungsblatt der Reichsjugendführung (Hitlerjugend), II/21, Der Stabsführer, 3.11.1934, Berlin 1934.
[5]      Wir Mädel singen. Lieder des Bundes Deutscher Mädel, hg. von der Reichsjugendführung, Wolfenbüttel/Berlin 1938, S 96.
[6]      Vgl. Der Reichsjugendführer in der Marienburg, in: Reichs-Jugend-Pressedienst, Nr. 90, 20.4.1938, S. 2.
[7]      Vgl. Die Feier der Überweisung, in: Die Spielschar 10, Wolfenbüttel/Berlin 1937, S. 79 und 81.
[8]      Unser Liederbuch. Lieder der Hitler-Jugend, hg. von der Reichsjugendführung, München 1939, S. 214.
[9]      Vgl. Raeck, Siegfried: Die Feiergestaltung der Hitler-Jugend auf dem Reichsparteitag 1938, in: HJ. Reichsparteitag 1938 Nürnberg, hg. von der Reichsjugendführung, o.O. [1938], S. 34.
[10]     Unser Liederbuch. Lieder der Hitler-Jugend, hg. von der Reichsjugendführung, München 1939, S. 30.