Suchen & Finden
Jugend! Deutschland 1918-1945
Editionen zur Geschichte
Didaktik & Schule

Die Schule war bis 1933 neben der Familie der unumstrittene Ort kindlicher und jugendlicher Erziehung und Ausbildung. Mit der NS-Machtübernahme wurde hier allerdings nicht mehr nur unterrichtet, sondern häufig auch massiv ideologisch beeinflusst. Außerdem versuchten die Nationalsozialisten zunehmend verschiedene Formen von Lagererziehung zu etablieren, in deren Rahmen eine Indoktrination und Wehrerziehung noch effektiver möglich war. Im Krieg wurden die so beeinflussten Heranwachsenden dann zunehmend zu Kriegshilfsdiensten der unterschiedlichsten Art herangezogen.

Inhalt
Baum wird geladen...

„Wirksame Unterstützung der erb- und rassenpflegerischen Maßnahmen des Staates“ - Ausgrenzungen

Natürlich begann das NS-Regime umgehend damit, jüdische Schülerinnen und Schüler aus den staatlichen und kommunalen Schulen auszuschließen. Einen ersten Schritt hierzu stellte das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen" vom 25. April 1933 dar, wonach der Anteil „nichtarischer" Schüler künftig nicht mehr als 5 Prozent betragen durfte; die Neuaufnahmen wurden auf 1,5 Prozent begrenzt. Weitere einschneidende Maßnahmen und zunehmende Schikanen sollten folgen.[1]

Aber auch die Sonderschüler gerieten umgehend in den Fokus der NS-Rassenhygieniker, die in ihnen bei der geplanten „Aufartung" der Deutschen zum „Herrenvolk" ein Hindernis sahen, dass es zu beseitigen galt.[2] Daher wurde auch das Schulwesen in die Maßnahmen einbezogen, die sich aus dem im Juli 1933 erlassenen „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" ergaben.[3] Zwar bleibe, so betonte ein Kölner Hilfsschullehrer im November 1933, die „Betreuung der Minderwertigen" auch weiterhin eine „Kulturaufgabe", er schränkte den Wirkungsbereich solchen Handelns im gleichen Atemzug aber entscheidend ein: „"Wo allerdings der Hilfsschüler asozial bleibt, kann und darf er auch von der Hilfsschule nicht geschützt werden."

Die Sonderschüler wurden damit auf ihren „Nutzen" reduziert, der sich danach berechnete, ob sie als Arbeitskräfte künftig noch „brauchbar" sein würden. Sofern das nicht gewährleistet war, sollten solche Kinder und Jugendliche als „total Belastete" oder „Asoziale" ausgesondert werden. Die Hilfsschulen wurden zu einem willfährigen Instrument der NS-Rassenhygiene, woran beispielsweise eine Gaufachschaftstagung Kölner Sonderschullehrer am 7. Juli 1934 keinerlei Zweifel ließ. Während „voll- und hochwertige" Schüler zu fördern seien, so wurde den Teilnehmern vermittelt, solle künftig zur „Verminderung der Wohlfahrtslasten" die „Möglichkeit der Ausmerzung kranker Erbgänge" in den Sonderschulen konsequent genutzt werden.

Was das bedeutete, geht aus der „Allgemeinen Anordnung über Hilfsschulen in Preußen" vom 27. April 1938 hervor. Danach sollten sie die Volksschulen entlasten, „damit ihre Kräfte ungehemmt der Erziehung der gesunden deutschen Jugend dienen können". Gleichzeitig wurde den Sonderschulen aber auch eine maßgebliche Funktion bei der Umsetzung der NS-Rassenpolitik zugewiesen, da sie „die Möglichkeit zu langjähriger, planmäßiger Beobachtung der ihr anvertrauten Kinder und damit zu wirksamer Unterstützung der erb- und rassenpflegerischen Maßnahmen des Staates" bieten würden.

Den Lehrern waren die möglichen Konsequenzen durchaus bewusst. Sie wurden schon 1934/35 angehalten, die Personalbögen ihrer Schüler gewissenhaft zu führen, „weil die Erbgesundheitsgerichte bei evtl. späteren Anträgen zur Sterilisierung darauf zurückgreifen" könnten. Oder wie es der Leiter des Rassenpolitischen Amtes im Gau Köln-Aachen 1938 von den Sonderschullehrern forderte: Das „Schülermaterial" gelte es zur Unterstützung der NS-Rassenpolitik zu „verkarten". Ein Jahr später wurden die Hilfsschulen aufgefordert, mit Hilfe dieser Karteikarten in ihren Augen bildungsunfähige Kinder zu selektieren, um sie auszuschulen und zu „asylieren". - Ob und wie die Lehrer hierauf reagierten, ist bislang unbekannt.

Fußnoten

[1] Zum Thema „Jüdische Schüler und Schulen" vgl. ausführlicher den Themenbereich „Jüdische Jugend".
[2] Die Darstellung folgt Trapp, Schulen, S. 79f.
[3] Vgl. hierzu ausführlicher den Themenbereich „Zwangssterilisation und Euthanasie".