Die Geschichte von „Jugend“ folgt sicherlich allgemeinen Entwicklungen und „großen“ Linien. „Erfahrbar“ und nachvollziehbar wird sie aber zumeist erst am konkreten Beispiel eines Dorfes, einer Stadt oder einer Region, das quasi mikroskopische Einblicke in Prozesse gewährt, die dem Betrachter beim Blick auf das reichsweite „große Ganze“ verborgen bleiben müssten. In den hier versammelten Beiträgen werden daher die jeweiligen Bedingungen vor Ort in den Mittelpunkt gerückt, um so die „Potenziale lokal- und regionalgeschichtlicher Perspektiven“ für die jeweiligen Themenaspekte auszuloten.
Zwischen reichsweiten Entwicklungen und solchen unmittelbar vor Ort klafften und klaffen oft Welten. Daher ist es zum tieferen Verständnis solcher Entwicklungen sinnvoll und vielleicht auch notwendig, weitere Entscheidungsebenen zu berücksichtigen.
Hier geschieht das – zunächst vorwiegend auf der grundlegenden Untersuchung von Markus Köster - für die ehemalige Provinz Westfalen.
Bereits 1802/1803 hatte Preußen als Entschädigung für die Abtretung des linksrheinischen Kleve an Frankreich seine bisherigen westfälischen Gebietssplitter Tecklenburg-Lingen, Minden-Ravensberg und Mark durch den östlichen Teil des Oberstifts Münster verbinden können.[1] Es erhielt dazu noch das Fürstbistum Paderborn. Die Niederlage bei Jena 1806 unterbrach die preußische Herrschaft durch Gründung der französischen Mittelstaaten Königreich Westphalen und Großherzogtum Berg und Eingliederung Norddeutschlands 1810 in das Kaiserreich Frankreich. 1813 unterstellte Preußen die zurückeroberten Gebiete zunächst einem Zivilgouvernement unter Ludwig von Vincke, ehe am 30.04.1815 die Provinz Westfalen geschaffen und am 01.08.1816 unter Vincke als erstem und bedeutendstem Oberpräsidenten zu arbeiten begann. Sie vereinigte neben den alten preußischen Besitzungen und Erwerbungen von 1802/1803 das gesamte Oberstift Münster, das kölnische Vest Recklinghausen, den Landesteil Siegen des Fürstentums Nassau, die Reichsstadt Dortmund, das Fürstentum Corvey und eine Vielzahl kleinerer Herrschaften (Anholt, Dülmen, Gemen, Rheda, Rheina-Wolbeck, Rietberg, Salm-Ahaus, -Bocholt, -Horstmar, Steinfurt, das Amt Reckenberg des früheren Bistums Osnabrück und das Saynsche Amt Neunkirchen).
Eingegliedert wurden 1816 das ehemalige kölnische Herzogtum Westfalen und die Grafschaften Wittgenstein. Außerhalb blieben die Niedergrafschaft Lingen und das Niederstift Münster. 1851 wurde schließlich das bisherige Kondominat (mit Lippe) Lippstadt eingegliedert. Der Oberpräsident als Kommissar des preußischen Staatsministeriums führte die Aufsicht über alle Verwaltungsbehörden, insbesondere die 1816 begründeten Bezirksregierungen in Arnsberg, Minden und Münster, und die Landkreise. 1826 wurden nach Ständen (Standesherren, Rittergutsbesitzer, Städte, Landgemeinden) gegliederte Provinzialstände auf der Grundlage des Grundeigentums ins Leben gerufen, deren Verwaltung die Auflösung der Provinz, die 20.214 qkm umfaßte, 1945 überlebte und 1953 als Landschaftsverband Westfalen-Lippe erneut in die Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen aufgenommen wurde.
[1] Die Vorstellung der Provinz folgt http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz.php?urlID=126&url_tabelle=tab_websegmente (4.10.2016)
zuletzt bearbeitet am: 04.10.2016