Die Geschichte von „Jugend“ folgt sicherlich allgemeinen Entwicklungen und „großen“ Linien. „Erfahrbar“ und nachvollziehbar wird sie aber zumeist erst am konkreten Beispiel eines Dorfes, einer Stadt oder einer Region, das quasi mikroskopische Einblicke in Prozesse gewährt, die dem Betrachter beim Blick auf das reichsweite „große Ganze“ verborgen bleiben müssten. In den hier versammelten Beiträgen werden daher die jeweiligen Bedingungen vor Ort in den Mittelpunkt gerückt, um so die „Potenziale lokal- und regionalgeschichtlicher Perspektiven“ für die jeweiligen Themenaspekte auszuloten.
Das „Lipperland“ entspricht dem heutigen Kreis Lippe im Nordosten Nordrhein-Westfalens. Bis 1918 Fürstentum, wurde das Gebiet nach Ende des Ersten Weltkriegs als Freistaat im Deutschen Reich eine parlamentarische Demokratie mit eigenem Landtag. In diesen Jahren stellte jeweils die SPD die stärkste Partei und führte entsprechend auch das dreiköpfige Landespräsidium an, das seit 1920 unter der Leitung von Heinrich Drake stand.[1]
Das Land Lippe kann als protestantische, agrarisch-kleingewerbliche Provinz bezeichnet werden.[2] Es zählte 1933 auf einer Fläche von rund 1.215 qkm 175.538 Einwohner, von denen 61,6 Prozent in Landgemeinden und 38,4 Prozent in Städten lebten. „Stadt“ muss in diesem Kontext jedoch eher als relativer Begriff verstanden werden, denn acht der zehn lippischen Städte waren „Landstädte“, von denen Schwalenberg als kleinste mit 956 Einwohnern sich kaum von einem lippischen Dorf unterschied. Die bevölkerungsreichste Stadt war die Verwaltungshauptstadt Detmold die 1934 rund 17.800 Einwohner zählte.
Lippe war ein protestantisches Land mit 81,5 Prozent Reformierten und 12 Prozent Lutheranern. Lediglich 4,8 Prozent der lippischen Bevölkerung waren Katholiken, die sich auf die „Städte“ und einige Gemeinden im südöstlichen Bergland konzentrierten.
Der kleine Freistaat wies 1933 mit mehr als 48 Prozent einen hohen Arbeiteranteil auf, wobei es aber auch hier – ähnlich der Definition der „Städte“ – gilt, wichtige Einschränkungen zu berücksichtigen. Der hier ansässige Arbeitertypus unterschied sich nämlich deutlich von jenem des industriellen Arbeitnehmers. Der lippische Arbeiter ging zumeist einer nicht- oder höchstens präindustriellen Beschäftigung nach und wurde im familiären Umfeld – zumeist vom Vater – angelernt.
[1] Vgl. hierzu ausführlicher www.wikipedia.org/wiki/Freistaat_Lippe.
[2] Das Folgende nach Caroline Wagner: Die NSDAP auf dem Dorf. Eine Sozialgeschichte der NS-Machtergreifung in Lippe, Münster 1998, S. 14ff.
zuletzt bearbeitet am: 19.04.2016