geb. in Bochum 1931
Die ersten Jahre seiner Forschungen stehen ganz im Zeichen der eigenen Jugendzeit im Nationalsozialismus. Seit 1946/47 ist Arno Klönne in Diskussionszirkeln und Gesprächskreisen aktiv, zum Beispiel auf der Jugendburg Bilstein, wo über die konfessionell-politischen Grenzen der Jugendverbände hinweg politisch-historische Studien angetrieben werden. Es ist ein stark politisiertes, lebhaftes Milieu, in dem er während dieser Zeit verkehrt. Verschiedene Gruppen der Jugendbewegung engagieren sich hier: Kreuzfahrer, viele Mitglieder von Quickborn oder Jungborn. Der katholische Publizist Walter Dirks ist auf den Tagungen anwesend. Weitere, darunter viele namhafte Persönlichkeiten, trifft Arno Klönne in dieser Zeit - ebenso aus dem linksliberalen wie katholisch-konservativen Milieu. Freie Diskussion anzutreiben und das Gespräch zu befruchten, das sind erklärte Ziele dieser Veranstaltungen. Ehemalige Mitglieder aus Jungvolk und HJ werden hierzu gezielt eingeladen.
Die Aussprache soll das Verständnis fördern, die jeweiligen Motive der damaligen Jugendlichen klären und verschiedene Erinnerungsbilder durchleuchten. Aufarbeitung heißt persönliche Auseinandersetzung, ohne Furcht vor dem Andersdenkenden. Unterschiedlichste Perspektiven und streitbare Meinungen kollidieren. Es wird gestritten und mit Energie lebhaft debattiert. Der junge Mann, dessen Begeisterung für die Wissenschaft schon erwacht ist, lernt in dieser Zeit viel über die historische Erinnerungskultur: „Daraus ist mein Interesse entstanden, dem Thema auch forschend nachzugehen“, sagt Arno Klönne Jahrzehnte später.
An der Marburger Universität stößt er mit seinem Interesse für die Jugend in der NS-Zeit auf offene Türen. Walter Abendroth hat von der amerikanischen Rockefeller-Stiftung den Auftrag erhalten, die Massenorganisationen des „Dritten Reiches“ zu untersuchen, und Klönne bekommt die Möglichkeit, den Teil über die HJ zu übernehmen. Mit Akribie arbeitet er sich durch einen historischen Stoff von kaum zu überblickendem Umfang; die Aufarbeitung der NS-Geschichte, von Seiten der Historiographie und Politikwissenschaft erst allmählich angetrieben, steht noch am Anfang. Der junge Wissenschaftler ist fast ein Pionier auf seinem Gebiet.
Als einer der Ersten nutzt er neben schriftlichen Quellen auch die Methoden der Oral-History und spricht mit ehemaligen HJ-Führern, um ihre damalige Motivation für ihr Engagement innerhalb der nationalsozialistischen Jugendorganisation zu verstehen. 1955 erscheint seine Doktorarbeit: „Hitlerjugend: Die Jugend und ihre Organisation im Dritten Reich“. Klönne nimmt darin die junge Generation von der Seite des nationalsozialistischen Kollektivs, also durch Analyse der Strukturen und Mechanismen der NS-Jugendorganisation, in den Blick.
Mit seinem nächsten Forschungsprojekt, das durch den Hessischen Jugendring gefördert wird, betritt Klönne wiederum Neuland. Nach der Beschäftigung mit der HJ interessieren ihn nun die Gruppen derjenigen Jugendlichen, die sich dem Machtanspruch der HJ verweigerten. Hier beginnt er auch, verstärkt politisch zu denken, denn er möchte damit Menschen eine Stimme geben, denen bisher niemand zuhören wollte. „Ich hatte das Gefühl, das wird ab Mitte der 50er Jahre weitgehend unterdrückt […], und da war dann schon das Motiv da, da willst du mal etwas dagegenhalten.“ Als Ergebnis erscheint 1957 „Gegen den Strom“, in dem Klönne am Beispiel der hessischen Jugend den Widerstand gegen das NS-Regime darstellt.
Das Buch wird ein erster großer Erfolg. Seminare und Vorträge schließen sich an, so dass die Thematik eine breite Resonanz erfährt. Es gibt jedoch auch Vorbehalte: In der Zeit des Kalten Krieges wird Widerstand oft eine Verbindung mit kommunistischem Gedankengut unterstellt. Außerdem, so nicht zuletzt der Standpunkt von Kreisen der katholischen Amtskirche, wird Widerstand gegen den Staat nicht für akzeptabel gehalten – egal, um was für einen Staat es sich handelt.
Mit seinen Studien zur Jugend im NS-Staat bleibt Arno Klönne in der Forschungslandschaft zunächst weitgehend allein. Später folgen zwar zahlreiche Untersuchungen zur HJ, doch bieten sie, so Klönne, kaum neue Sichtweisen auf das Gesamtphänomen. Abgesehen von Einzelstudien fehlt seiner Ansicht nach immer noch eine Darstellung, die mit einer sozialgeschichtlichen Sichtweise die verschiedenen Milieus in den Blick nimmt und hier nach unterschiedlichen Motiven für damaliges Jugendverhalten fragt. Er bedauert, dass es versäumt wurde, darüber die hohen HJ-Führer zu befragen und dass es zudem unterlassen wurde, die zahlreichen Lebenserinnerungen, die auch in gedruckter Form vorliegen, auszuwerten. Nicht zuletzt seine eigene Lebensgeschichte zeige ja, dass - insbesondere auf dem Land - oft manches anders lief als von den Funktionären in Berlin ausgedacht oder auf Papier geplant war. Als Forschungsdesiderat sieht er auch eine Untersuchung der sozialpolitischen Maßnahmen der HJ an, die seinerzeit durchaus als „Fortschritt“ begriffen wurden, weil sie individuelle Aufstiegsmöglichkeiten eröffneten.
zuletzt bearbeitet am: 08.09.2016