„Ein bisschen Gänsehaut-Feeling“ - Die Enkelin

Wenn die Oma ihr und ihrer Schwester von früher erzählt habe, so Enkelin Katrin Zillikens, wäre es zumeist um die Erlebnisse während der Flucht gegangen. Ausgehend von ganz normalen Alltagsthemen sei es zumeist nur ein kleiner Sprung zu den Erinnerungen an die Flucht gewesen. Eine große Rolle habe dabei häufig die Katze gespielt, die die kleine Gertrud 1945 in Braunsberg habe zurücklassen müssen.

Es sei natürlich schwierig, sich in die Gefühlswelt der Oma hineinzuversetzen, aber sie habe doch viel von dem verstanden, was erinnert und erzählt worden sei. Zum Glück, so betont die Achtzehnjährige, sei das Thema „Flucht und Vertreibung“ in der Familie nie totgeschwiegen, sondern offen und aktiv diskutiert worden. „Und das finde ich auch gut.“ Manchmal habe sie dabei sogar „ein bisschen Gänsehaut-Feeling“ verspürt. Angehörige ihrer Generation könnten sich eben überhaupt nicht vorstellen, wie man mehrere Wochen nur von Kartoffelschalen leben könne.

 

Die Reise der Familie nach Ostpreußen sei in keinem Fall ein „Urlaub wie immer“ gewesen, ordnet Katrin die Fahrt im Jahr 2005 ein, schränkt jedoch ein, dass sie sich nicht mehr an viel erinnern könne. Dafür sei sie damals wohl zu jung gewesen. Dennoch hat das Gedächtnis einiges gespeichert, unter anderem das Elternhaus der Oma, das man gemeinsam besucht und besichtigt habe. Insbesondere die für sie damals offenbar recht irritierenden großen Unterschiede in den Wohnstandards in ihrer niederrheinischen Heimat und jenen in Ostpreußen stehen ihr noch deutlich vor Augen.

 

Die Fähigkeit, die zumeist dramatische Lage von Menschen auf der Flucht zu verstehen, so glaubt Katrin Zillikens, werde dadurch erhöht, wenn man selbst mit Menschen sprechen könne, die etwas Derartiges erlebt haben. Ihr jedenfalls hat der offene innerfamiliäre Umgang mit dem Thema geholfen, sich zumindest etwas in die Lage davon Betroffener zu versetzen.

 

„Ja, es ist schon so, dass man sich überlegt, wie es denen gehen kann“, erklärt sie mit Blick auf die Lage der sich aktuell auf der Flucht befindlichen Menschen. „Wahrscheinlich so ähnlich, wie das die Oma erzählt hat, weil die auch alles zurücklassen müssen.“