Religion, so betont Hannelore Beulen, habe in ihrer Kindheit eine „ganz große“ Rolle gespielt. In den Langeböser Häusern seien reihum wöchentliche Bibelstunden abgehalten und die Lebensrhythmen jedes einzelnen durch strenge religiöse Vorgaben reglementiert worden. So hätten ihre Eltern beispielsweise nicht Tanzen gehen dürfen, „weil das was Böses war“. Statt Vergnügen galt es Kirchenchor und Bibelstunden zu besuchen. „Die durften Vieles nicht. Die wurden schon sehr streng gehalten. Da lacht man heute drüber.“
Auch die Silvesternacht war keineswegs ein Anlass zum Feiern, um das neue Jahr zu begrüßen. Im Hause Bandemer wurde wie generell in Langeböse stattdessen „gesungen und gebetet“, weil die Eltern stets gesagt hätten: „Das ist ein schwerer Übergang ins nächste Jahr. Wir wissen nicht, was es uns bringt.“ Das sei auch für sie und ihre Geschwister völlig selbstverständlich geworden, erzählt Hannelore Beulen weiter. Diese Prägung habe dazu geführt, dass auch ihr Mann und sie später nie Silvester gefeiert hätten. Die einzige Ausnahme sei der Besuch einer Veranstaltung gewesen, die die evangelische Kirchengemeinde Jüchen ausgerichtet habe.
Die Gebete hätten, da ist sie sich sicher, den Betroffenen dann nach 1945 in der „Russenzeit“ sehr geholfen. „Was da gebetet wurde!“ „Der Russe stand mit der Pistole vor uns, und dann hörten sie jeden in seiner Sprache beten. Das vergisst man ja nicht.“
Politik habe in ihrem Elternhaus hingegen überhaupt keine Rolle gespielt, betont Hannelore Beulen. Ihre Eltern seien nicht politisch, sondern in hohem Maße „barmherzig“ gewesen, so dass sie sich noch heute die Frage stelle, wie beide überhaupt die Zeit des Nationalsozialismus überstanden hätten. In diesem Zusammenhang erinnert sie sich an eine Szene aus Groß Boschpol. Hier habe sie eines Tages durchs Fenster gesehen, wie Soldaten Menschen – mit großer Wahrscheinlichkeit Juden - die Straße entlang getrieben hätten. Als einer von ihnen gestürzt sei, habe ihn einer der Soldaten mit dem Gewehrkolben geschlagen. „Und da habe ich geschrien und meine Mutter gerufen. Und da sagte meine Mutter: ‚Komm schnell weg!‘ Und dann setzte sie sich hin und weinte.“ Die Kinder, so beschreibt Hannelore Beulen ihre damalige Situation, hätten solche Ereignisse nicht einordnen können. „Ich habe es ja erst später kapiert.“
Vater Erich, das betont sie mit Nachdruck, sei mit Sicherheit in keiner Partei gewesen. „Der wollte nichts damit zu tun haben.“ Stattdessen habe er sich häufiger „den Mund verbrannt“ und sei deswegen von oben gerügt worden. Wenn er angesichts bestimmter Ereignisse hätte reagieren wollen, habe ihre Mutter ihn zurückgehalten: „Tu das nicht, die erschießen Dich!“ Immerhin wird Schwester Elvira 1942 nicht, wie es eigentlich Pflicht gewesen wäre, Mitglied bei den Jungmädeln.