„Das waren die ersten Soldaten, die wir gesehen haben.“ - Krieg

Zunächst wird Familie Bandemer nicht sehr stark von den Kriegsereignissen tangiert, was nicht zuletzt daher rührt, dass Vater Erich aufgrund eines beidseitigen Leistenbruchs nicht zur Wehrmacht eingezogen wird und die meiste Zeit in Groß Boschpol verbleiben kann. Einige Male werden seine Kenntnisse aber offenbar an anderen Stellen benötigt. „Der stand immer ‚Gewehr bei Fuß‘, und wenn irgendetwas war, wurde er dahin geschickt.“ Er sei, so erinnert sich Hannelore Beulen, beispielsweise einmal nach Frankreich geschickt worden, um sich dort um Bahnangelegenheiten zu kümmern. Über die genaue Tätigkeit des Vaters sind die beiden Töchter nicht orientiert. Viel wichtiger für sie ist es, dass ihr Vater ihnen aus Paris zwei große Puppen mitbringt.

 

Spätestens ab 1944 hält der Krieg aber schrittweise auch in Langeböse und Groß Boschpol Einzug. Es seien immer mal wieder Wehrmachtsangehörige erschienen, die dann für einige Zeit untergebracht und bewirtet worden seien, erinnert sich Hannelore Beulen. „Das waren die ersten Soldaten, die wir gesehen haben.“

Dann aber ändert sich die zuvor so ruhige Lage in den hinterpommerschen Dörfern grundlegend. „Plötzlich kamen verschiedene Züge aus Ostpreußen“, erzählt sie weiter. Deren Insassen seien bereits auf der Flucht gewesen und hätten einen Zwischenstopp eingelegt. Bei dieser Gelegenheit muss die kleine Hannelore erstmals erleben, welche Folgen soziale Unterschiede auf das Verhalten von Menschen haben können. Eine ostpreußische Gutsbesitzerfamilie findet für zwei Nächte Unterschlupf bei den Bandemers und nötigt diese, in der kleinen Dienstwohnung sehr eng zusammenzurücken. Dennoch habe man die Durchreisenden „sehr freundlich“ aufgenommen: „Meine Eltern haben natürlich auf dem Boden geschlafen“ und den Flüchtlingen ihr Ehebett überlassen. Das sei aber keineswegs mit Dankbarkeit, sondern mit Unverschämtheit erwidert worden, wie sich Hannelore Beulen noch heute verärgert erinnert. „Die haben uns praktisch aus der Wohnung getrieben.“ Dabei sind die ehemaligen Gutsbesitzer gut ausgestattet. Sie reisen nicht nur mit Bediensteten, sondern haben auch - gerade gegen Kriegsende – sehr seltenen und entsprechend begehrten Bohnenkaffee im Gepäck. Daher wird auch die Bandemer’sche Küche zur Zubereitung des Kaffees kurzerhand okkupiert. „Die ganze Küche duftete. Meine Eltern durften da mal riechen, aber sie bekamen keine Tasse Kaffee angeboten. Und das hat meine Mutter schwer verkraftet und gesagt: ‚Man muss doch ein bisschen dankbarer sein.‘“

Es bleibt nichts als der Ärger, als sich die Gutsbesitzerfamilie nach zwei Tagen wieder auf den Weg gen Westen macht.