„Kurz bevor wir in den Ort zurückkamen, wurde mein Vater direkt verschleppt in Gefangenschaft“, erinnert sich Hannelore Beulen an diese besonders schmerzhafte Trennung mit ungewisser Perspektive zurück. Erich Bandemer wird für mehrere Monate in Graudenz interniert, bis er völlig abgemagert, aber immerhin noch lebend zur Familie nach Groß Boschpol zurückkehren kann. Bis dahin weiß seine Familie nichts über das Schicksal des Ehemanns und Vaters.
Als Erna Bandemer mit ihren drei Kindern ins Dorf zurückkehrt, wird das Bahnhaus längst als Lazarett genutzt. Die vier Obdachlosen kommen mit einigen weiteren Rückkehrern in einem Raum der verlassenen Dorfschmiede unter, wo sie wiederum auf Strohsäcken schlafen müssen. „Und da kamen die Russen auch andauernd rein und raus, rein und raus.“ Zu allem Unglück erkrankt der vierjährige Jürgen schwer. Erna Bandemer organisiert im Ort einen alten Kinderwagen und macht sich mit ihrem hochfiebrigen Sohn „im Kugelhagel“ zu Fuß auf den langen und gefährlichen Weg ins Krankenhaus nach Lauenburg. Dort diagnostiziert man einen Blinddarmdurchbruch, operiert den kleinen Jürgen und schickt ihn samt Mutter nach einigen Tagen wieder zu Fuß nach Groß Boschpol zurück.
Die zurückgekehrte Dorfbevölkerung muss unter nun völlig gewandelten Bedingungen ihren Lebensunterhalt sichern. Viele gehen auf das nahegelegene Gut, auf dem die russischen Besatzer untergekommen sind, und fragen nachArbeit, um mit Putzen, Wäschewaschen und Feldarbeit ihr Dasein zu fristen. Für die vier Bandemers übernimmt die zwölfjährige Elvira eine wichtige, vielleicht lebenserhaltende Rolle: Sie geht zum Gut, wenn dort Kühe geschlachtet werden und schneidet den von den Besatzern achtlos weggeworfenen Kuhköpfen die Zungen heraus, die anschließend von ihrer Mutter gekocht werden. Erna und Elvira Bandemer gehen im Herbst außerdem auf die umliegenden Felder, um dort liegen gebliebene Kartoffeln zu sammeln. Ab und zu, so erzählt Hannelore Beulen, habe es für Hilfsarbeiten auf dem Gut auch ein Stück Brot gegeben. Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig: „Wir haben gehungert und fürs Überleben noch immer etwas gehabt.“