Bereits vor der „Wende“ des Jahres 1989 besucht Werner Schuh mit seiner inzwischen verstorbenen älteren Schwester erstmals seine sudetendeutsche Heimat. Allerdings handelt es sich hierbei lediglich um eine kurze Tagesstippvisite in die eigene Vergangenheit.
Unmittelbar nach Öffnung der Grenzen machen sich die beiden Geschwister dann aber auf eine längere Tour nach Presser. „Aber das war unheimlich da“, erinnert sich Werner Schuh mit eher gemischten Gefühlen zurück. Eine teils deutschstämmige Familie – die Ehefrau Deutsche, der Ehemann Tscheche – vermietet dort Zimmer. Als Problem für die Gäste aus dem Westen erweist sich die Tochter der Vermieter: „Die war so fanatisch, die kam nicht morgens zu uns zum Frühstück herein.“ Von deren deutschstämmigen Mutter erfahren die Schuhs hingegen Näheres über die oftmals brutale Behandlung der nach 1945 zurückgebliebenen Deutschen. „Die Kinder wurden in der Schule schon getrimmt, deutschfeindlich zu sein.“ Das erklärt zumindest teilweise auch das ablehnende Verhalten ihrer Tochter gegenüber den Gästen.
Von solchen Störungen lassen sich Werner Schuh und seine Schwester jedoch nicht beeindrucken. Insbesondere für sie sei die Rückkehr in ihre alte Heimat „alles“ gewesen, erzählt er. Das habe aber zumindest in Teilen auch für ihn selbst gegolten. Vor der Reise sei er natürlich gespannt darauf gewesen, das Dorf und den elterlichen Hof nochmals wiederzusehen. „Ich hatte alles noch im Kopf, wie das war.“ Tatsächlich erkennt er dann alles wieder. Allerdings dürfen die Geschwister aufgrund der deutsch-skeptischen Haltung der neuen Besitzer den Hof zunächst nicht betreten, was ihnen aber schließlich doch noch erlaubt wird. „Das war natürlich ein tolles Gefühl.“ Er habe sein Elternhaus, so versucht Werner Schuh seine Gefühle zu beschreiben, „einfach noch mal sehen“ müssen.
Inzwischen hat er Pressern– mit Ehefrau und Söhnen - schon häufiger besucht und möchte, so sein ausdrücklicher Wunsch, auch noch einmal dorthin reisen. „Wenn es geht, fahren wir wahrscheinlich im nächsten Jahr [2017] noch mal hin. Das wird dann wahrscheinlich das letzte Mal sein.“
„Heimat ist Heimat. Das ist so,“ beschließt Werner Schuh das Gespräch und die Schilderung seiner Lebensgeschichte. Zwar sei auch der Niederrhein ein Stück weit zur Heimat geworden, „aber man ist da nicht so verwurzelt“. Es sei insbesondere seine Frau gewesen, die ihm aber auch den Niederrhein als zweite Heimat nahegebracht habe.