Die deutsche Gemeinschaft in Istanbul

Die Türkei taucht in den frühen Quellen zur „Zentralstelle für Deutsche Kulturfunksendungen im Ausland“ praktisch nicht auf. In den überlieferten Akten für die Zeit bis Ende 1936 findet sich als einziger die Türkei betreffender Hinweis die Mitteilung über eine Schallplattensendung an die Deutsche Gesandtschaft in Ankara Mitte 1935. Laut beiliegender Liste handelte es sich jedoch ausschließlich um Musikschallplatten.[1]

Laut den Aufnahmeprotokollen der Deutschen Grammophon wurden dann jedoch zwischen dem 21. Mai und 17. Juni 1939 unter der Bezeichnung „Türkische Aufnahmen“ für Ankara 64 und für Istanbul sogar 120 Schallplatten am Stück produziert.[2] Leider sind dem kurzen Protokoll keinerlei nähere Angaben zu Titeln und Auftraggeber dieser Aktion zu entnehmen. Die hohe Zahl von Produktionen in vergleichsweise kurzer Zeit legt es jedoch nahe, dass es sich um Neuauflagen älterer Produktionen gehandelt haben dürfte – vielleicht um jene, die anschließend bis 1944 nicht nur in der Arbeit der beiden NSDAP-Ortsgruppen zum Einsatz und dann nach jahrzehntelangem Überdauern im Verborgenen in der „Teutonia“ in den 1960er Jahren wieder ans Licht kamen, als Gert Otto sie bei Renovierungsarbeiten entdeckte.

Die politische Arbeit während der NS-Zeit fand in großen Teilen in der „Teutonia“ statt, dem Sitz des gleichnamigen Vereins der deutschen Gemeinschaft in Istanbul und damit des traditionellen deutschen Lebens am Bosporus. Daher gilt es an dieser Stelle auch die Geschicke der dortigen deutschsprachigen Kolonie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und insbesondere während der Zeit des Nationalsozialismus zu ergründen. Das gestaltet sich insofern etwas schwierig, als die politischen Strukturen und Verhaltensweisen zwischen 1933 und 1944 seitens der deutschen Community in Istanbul noch heute weitgehend tabuisiert werden. „Hier war nix“, heißt es zumeist, und wo nichts war, da konnte es auch keinen NS-Einfluss geben. „Aber es war doch etwas und sogar eine ganze Menge“, resümiert Anne Dietrich in ihrer umfangreichen Studie über „Nationalisierung und Orientierung in der deutschsprachigen Community von 1843 bis 1956“.[3]

Fußnoten

[1] Vgl. BArch Berlin, R 55/1190, Bl. 166ff.

[2] Vgl. Firmenarchiv Deutsche Grammophon, Ordner „Aufnahmelisten ‚gn‘ und ‚go‘.

[3] Dietrich, Deutschsein, S. 10. Auf dieser Arbeit sowie auf der Untersuchung zur „Teutonia“ von Barbara Radt beruhen die folgenden Ausführungen.