„Das Problem, das dann kam, das war der Glaube.“ - Schule und Religion

Den Kindern fällt die Integration in die neue Umgebung leichter als den Erwachsenen. „Wir Kinder hatten schnell Kontakt.“ Hierzu trägt der Schulbesuch maßgeblich bei, wobei die zwölfjährige Hannelore hier viel nachzuholen hat. „Was mich immer besonders belastet hat: Ich hatte anderthalb Jahre keine Schule in Pommern. Und als ich in Garzweiler in die Schule kam, hat man mich gefragt: ‚Aus welcher Klasse bist Du rausgekommen?‘“ Und in die gleiche Stufe sei sie in Garzweiler wieder eingeschult worden, wofür sie viel zu alt gewesen sei. „Und da hatte ich die anderthalb Jahre Differenz.“

Dieses Problem löst Hannelore nach dem 1948 erfolgten Umzug der Familie nach Jüchen in erstaunlich selbstständiger, selbstbewusster und leistungsorientierter Art und Weise. Als sie im 7. Schuljahr ist, fährt sie auf eigene Faust ins benachbarte Rheydt und legt dort erfolgreich die Aufnahmeprüfung für die kaufmännische Handelsschule ab. Damit, so erzählt sie noch heute sichtlich stolz, habe sie das verlorene Schuljahr „wieder herausgeholt“.

An besondere Kontakte der Flüchtlingskinder im schulischen Bereich kann sie sich nicht erinnern. Die seien ja aus völlig verschiedenen Gegenden gekommen. So entwickeln entstehen keine Freundschaften zu anderen Flüchtlingskindern, sondern Kontakte zu Einheimischen: „Ich hatte gleich meine Freundinnen hier“, erzählt Hannelore Beulen, und die seien auch wie selbstverständlich „zu uns in den Stall“ gekommen. Diese freundschaftlichen Beziehungen seien „richtig schön“ gewesen.

 

Schwierigkeiten im Zusammenleben entwickeln sich allerdings auf anderem Gebiet. „Das Problem, das dann kam, das war der Glaube“, was die evangelischen Neuankömmlinge im „urkatholischen“ Garzweiler deutlich zu spüren bekommen hätten. „Da stehen die Blauköpp schon wieder“ habe es dann geheißen. Über diese abwertende Bezeichnung evangelischer Christen ärgert sich Hannelore maßlos und leidet darunter – bis heute. Obwohl der Begriff längst seine diskriminierende Bedeutung verloren hat, kann sie noch immer nicht verwinden, wenn er auf sie und Mitgläubige angewandt wird; die alten Verletzungen sitzen offenbar zu tief. „Das ist das Wort, unter dem ich als Kind gelitten habe!“

Viele der katholischen Einheimischen provozieren die Andersgläubigen bei jeder sich bietenden Gelegenheit. So wird der Karfreitag- für Protestanten einer der wichtigsten Feiertage - gern genutzt, um im Garten zu arbeiten, Autos zu waschen oder ähnliche Tätigkeiten verrichten. Ihre Mutter, so Hannelore Beulen, habe sich darüber zwar stets sehr geärgert, aber auch deutlich gemacht: „Das tun wir aber nicht, wenn Fronleichnam ist.“ Eine Hilfe und Stütze für die insgesamt vier protestantischen Familien in Garzweiler ist in solchen Situationen die evangelische Kirche im zwei Kilometer entfernten Otzenrath, die Familie Bandemer regelmäßig besucht.