Die Familie - „Und dann kam ein Kind nach dem anderen.“
Harald Endemann wurde 1903 in Godesberg als Sohn eines Studienrats am örtlichen „Pädagogium“ in eine protestantische Familie geboren. Ihr Großvater (1869-1939), so erinnert sich Stefanie Endemann, sei deutschnational eingestellt gewesen und ein Mann von starken konservativ-ethischen Grundsätzen. So sei dann auch ihr Vater erzogen worden.
Mutter Charlotte wurde 1906 in Köln geboren und zog nach Ende des Ersten Weltkriegs „mit der Familie und den „Resten des Vermögens ihres Vaters“ nach Godesberg. Ursprünglich stammte ihre Familie aus eher einfachen Verhältnissen, aber Charlottes Vater Ernst Hechtle (+ 1919 in Bad Godesberg) war es gelungen, ein Juwelier-Geschäft auf der Hohe Straße in Köln aufzubauen und zu einem „Ersten Haus am Platz“ zu entwickeln. Entsprechend, so erzählt Stefanie Endemann, seien dann auch Einkommen und Lebensstil der Familie gewesen. Die daraus resultierenden Ansprüche und eine gewisse „Distinguiertheit“ habe ihre Mutter zeitlebens nicht ablegen können.
In Godesberg lernten sich Harald und Charlotte kennen und lieben, doch gut Ding wollte offenbar Weile haben. „Es folgte eine zehnjährige Verlobungszeit, bis es endlich zur Heirat kam.“ Den Grund für die extrem lange „Wartezeit“ sieht Stefanie Endemann darin, dass Vater und Sohn Endemann bei der bis 1926 dauernden Besetzung des Rheinlands durch französische Truppen mit anderen profilierten Lehrern des Pädagogiums aufgrund ihrer deutschnationalen Opposition am 10. März 1923 „rausgeschmissen“ worden seien. Nach der Ausweisung durch die französische Militärregierung habe ihr Vater in Marburg und Graz Jura studiert und sei erst Ende der 1920er-Jahre nach Godesberg zurückgekehrt. „Lotti hatte auf ihn gewartet – samt einem Veilchen“, das ihr Verlobter ihr fast ein Jahrzehnt zuvor zum Abschied überreicht hatte. 1933 heiraten die beiden schließlich - ausgerechnet am „Tage der Erhebung“.
Harald Endemann verzichtete danach auf das Zweite Staatsexamen und ergriff stattdessen den Beruf eines Immobilienmaklers und -verwalters. Er sei jedoch, so betonen beide Töchter, beileibe „kein geborener Geschäftsmann“ gewesen. „Mein Vater war ein toller Kindervater, aber kein Geschäftsmann“, resümiert Heidi Diehl. Er habe nie „richtig profitieren“ können, was allein schon darin zum Ausdruck gekommen sei, dass er nur widerwillig Rechnungen schrieb oder gleich ganz darauf verzichtete. „Er konnte den Leuten das Geld nicht abnehmen.“ Das führte aber zwangsläufig dazu, dass es im Hause Endemann nicht selten an finanzieller Substanz mangelte. Das geschäftliche Unvermögen ihres Gatten führte schließlich dazu, dass Charlotte Endemann eigene Aktivitäten entfalten musste. In der Ehe, so erzählt Tochter Heidi, habe ihre Mutter daher nahezu zwangsläufig den tatkräftigeren und wohl auch tonangebenden Part eingenommen.
Erst die Jahre 1938/39 brachten eine spürbare finanzielle Entspannung. Im Zusammenhang mit Arisierungsmaßnahmen übernahm Harald Endemann Häuserverwaltungen für vier jüdische Besitzer. Seine Töchter betonen, dass er sich in diesem Kontext aber offenbar „so redlich wie möglich“ verhalten habe. Als Beispiel berichten sie von der Geschäftssache Albert Leser. Der ehemalige, rechtzeitig in die USA emigrierte jüdische Besitzer sei nach Kriegsende mehrmals nach Bonn und Godesberg zurückgekommen und habe sich bei diesen Gelegenheiten wie auch brieflich bei ihrem Vater ausdrücklich für dessen faires Verhalten bei den Transaktionen bedankt.
In der jungen Ehe dominierten in den Jahren nach 1933 aber zunächst die Geldsorgen den Alltag. Harald und Charlotte zogen in das Haus von Vater Endemann ein. „Und dann kam ein Kind nach dem anderen, was die Großmutter nicht so lustig fand. Sie hatte zwar die zwei schönsten Zimmer, aber sie fühlte sich an die Wand gedrängt.“ Bis 1940 wurden fünf Kinder geboren: Helga, Heidi, Klaus, Ursel und schließlich Jürgen. Mit jedem Kind wurde es naturgemäß enger im Haus, was nicht zuletzt auch daran lag, dass es – wie damals üblich – für alle Wohnparteien lediglich eine Küche und nur zwei Toiletten gab. „Die Umstände waren so, dass man, ob man wollte oder nicht, sehr eng zusammen war.“ Verschärfend kam hinzu, dass dann auch noch Charlottes Mutter einzog. Oma Endemann habe sich nun erst recht in den Hintergrund gedrängt gefühlt, „und entsprechend hat sie sich verhalten“.