Elisabeth Knabben an Schwester Agnes, 26. Oktober 1944

Köln-Mülheim, den 26.10.44

Liebstes Angenies!

Herzlichen Dank für das Päckchen und Deinen Brief, den ich gestern Abend bei Remagens geholt habe. Das Päckchen wurde unter großem Hallo aufgemacht – und der Brief während des Abendessens in der Runde vorgelesen, wir wissen, dass Du – sowohl wie auch Gerta – Euch enorme Sorgen um uns gemacht habt – aber Euer Gebet war nicht umsonst und nicht, wie Mechthild und Helmuth behaupten - betet ruhig weiter, es wird doch irgendwie erhört werden.

Also – Butter, lb. Angenies, darfst Du uns unter keinen Umständen mehr schicken, wir haben durch die Sonder-Zuteilungen usw. usw. bestimmt genug, ferner schickte Elly gestern durch Herrn u. Frau Pütz auch ein ganzes Paket „Fressalien“, Du siehst, wir leben wie die Götter in Frankreich. Gerta hatte mir auch noch gute Sachen aus Uckerath mitgegeben, es ist einfach rührend, wie Ihr an uns denkt. Mutter meinte gestern schon, sie sähe doch, dass ihre Töchter genau so wären wie sie, nämlich, dass sie einfach alles abgeben würden. Also – sei Du bedankt für alles! – auch für die toll warme Hose, sie werde ich abends im Hause anziehen, weil wir wohl einstweilen noch keine Heizung anmachen können, weil erstens kein Wasser da ist, um die Heizung damit zu füllen und zweitens der Brand noch nicht von der Greven’schen Brauerei bis zu uns transportiert werden konnte. – Z. Zt. sitze ich hier im Carlswerk und glühe direkt vor Wärme, weil ich ein durchwärmtes Zimmer gar nicht mehr gewöhnt bin.

Wie ich Dir schon schrieb und Gerta schon mündlich erzählte, also: von der Küche konnte nichts gerettet werden. Zuerst habe ich mir alles in der Rhodiusstraße zusammengeliehen und das Porzellan, was Gerta bei Grevens stehen hatte, benutzt – aber inzwischen bin ich von Grete Diener ausgezeichnet bedient worden, dass wir an Porzellan und Gedöns im großen wieder alles haben – die Kessel usw. bekomme ich noch von Gärtners, solange behalten wir das Geliehene. Das Esszimmer ist leider mit Inhalt weg, vor allem das Klavier – und der Plattenschrank von Gerta mit unseren mühsam zusammengesuchten Platten und das Radio, ferner sämtliches Silber, was im Büffet lag, der ganze Inhalt der Kredenz usw. usw.

Gerade die Schallplatten haben uns so machen Abend noch erfreut, es wird sehr schwer werden, sich in manchen geruhsamen Stunden nicht mehr mit edler Musik hochrappeln zu können – aber dies und noch vieles andere mehr werden wir entbehren müssen. Dagegen vom Wohnzimmer haben wir noch einen Teil der Sessel - vor allem Gertas prächtigen Sessel - gerettet, auch Gertas viereckigen Tisch, die Platte lag zwar in einer anderen Ecke, Tisch selbst umgestürzt, aber bis auf kleine Katsche unversehrt. -

Aus oben den Zimmern ist nichts mehr da, vor allem hofwärts ist alles drauf, nur aus meinem Zimmer der Betteninhalt von Frau Hammerschlag. - Und der Kellerinhalt, den kennst Du doch so ca., an Wäsche, Kleider, Mäntel für jeden etwas. Denke Dir, Mutter hat ihren schönen beigen Mantel, ferner das neue schwarze Jackenkleid und alle ihre Hüte verloren. Tama hat ihr einen ganz alten Hut geschickt, den ich ihr zurechtgefummelt habe, denn Modistin gibt es nicht mehr in Köln. Er steht ihr tadellos.

Und ich glaube, so manches, was wir verloren haben, wissen wir noch gar nicht, denn es fällt einem immer erst ein, wenn man es benötigt, vor allem die Hausfrauen in der Küche. –

Dein Wollstoff muß im Keller bei uns gelegen haben und auch noch da sein, wie Mutter sagt. Deine Alben sind schon vor Jahresfrist mit nach Wissen, also auch gerettet. - Die rote Wollhose braucht Mumi wirklich nicht, Agnenies, sie wäre ihr auch zu eng, behauptet Mumi. - Grevens haben so nichts im Hause, was wir benützen können - außer einem Bett mit Inhalt, worin Mumi schläft - im übrigen, wenn sie auch etwas in Hause gelassen hätten, würden wir es nicht benützen, lieber einschränken oder auf etwas verzichten, als das benutzen, was einem nicht gehört. Wenn der Soldat heute oder Samstag käme, wäre das ja sehr schön, sonst geben wir es Samstag dem Herrn Braun mit. Über die Kartoffeln freuen wir uns auch, aber wenn es nicht klappt, rege Dich auch nicht auf, wir finden immer wieder barmherzige Leute, die uns was geben. - Es ist gut, dass Gerta und Du noch unser Haus in schöner Erinnerung habt – später, wenn ihr über den 1. Schmerz hinweg seid, habt Ihr vielleicht die Kraft, es Euch anzusehen, es regt doch immer auf – und im Übrigen könntet Ihr hier zu leicht in einen Angriff kommen. Wir haben im Großen und Ganzen jetzt 8 Tage Ruhe – und weitere Angriffe lassen bestimmt nicht sehr lange mehr auf sich warten. -

Also – wie gesagt lb. Schwesternherz, macht Euch keine Sorgen um uns, wir werden uns weiter durchkrabbeln, wenn auch die Nervenfestigkeit bei allen im Augenblick noch sehr viel zu wünschen übrig lässt, so wird das schon wieder werden! - Elly ließ uns durch Fam. Pütz sagen, wir sollten doch zu ihnen herüberkommen, wir wären herzlich willkommen, das ist alles leichter gesagt als getan, wie sollen wir hier weg können, außer Mutter sind wir alle beruflich gebunden, und wir wollen doch in etwa noch zusammenbleiben, nicht? – Willy soll in der nächsten Zeit von der Kompagnie einige Tage frei bekommen, so daß er vielleicht eine Eisenbahnfahrt genehmigt bekommt, wenn Möglichkeit ist, kommt er mal herüber zu Dir. Aber freue Dich nicht zu sehr, sonst bist Du nachher zu sehr enttäuscht, lasse Dich lieber überraschen und freue Dich dann umso mehr. Vielleicht käme ich dann mit - aber wie gesagt - sei nicht enttäuscht, wenn es nicht klappen sollte! -

Elly werde ich auch wenn möglich bald schreiben, wenn der Braun einen Brief für sie zu Dir bringt, dann befördere ihn bei Gelegenheit welter. Aber nur nicht ein Kind bei Tag herunterschicken, wenn es gefährlich in der Luft ist. Sei vorsichtig! - Die Kinder ist das höchste Gut, was Du und Gerta i.A. hast, und da müßt Ihr ein ganz wachsames Auge drauf werfen! -

Meine Schreiberei ist – was Stil und Fehler angeht – mehr als unmöglich, aber ich bringe im Augenblick tatsächlich nichts Besseres zustande, und Du musst schon entschuldigen. Seit gestern habe ich dauernd leichte Magenschmerzen – das sind aber nur die Nerven und wird sich beheben. Sonst fühle ich mich sauwohl! – Von Claus habe ich leider immer noch keine Post, ich hoffe, dass ich das auf die Postschwierigkeiten der letzten 14 Tage schieben kann. Man kann nur immer hoffen, und wieder hoffen – sonst wäre das Leben nicht mehr schön! –

So - mein lb. Angenies, Dir und Deinen 3 Süßen (zufällig fand ich gestern beim Kramen die ersten Fotos von Mechtild und war ganz verliebt darin) alles, alles Liebe und Gute - durch Herrn Braun werden wir ja nun wohl hoffentlich öfter voneinander hören - von allen,

Vater, Mutter, Willy und
Elisabeth

Die Fleischmarken gehen so rasch wie möglich an die Tanten! -

Zellstoff sehr knapp, daher nur ein kl. Paket, Binden gebe ich Dir aus meinem Vorrat, i.A. nichts zu haben, Umschläge bekommst Du auch einige.-