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Jugend! Deutschland 1918-1945
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Jugendgruppen

Die 1920er Jahre waren ein Jahrzehnt aufstrebender Jugendgruppen und von deren Organisationen. Ob konfessionell, politisch oder bündisch orientierte Gruppen: sie nahmen erheblich an Größe zu, gewannen deutlich an Selbstvertrauen und traten mit Beginn der 1930er Jahre zunehmend formiert und uniformiert auf. Nach 1933 beanspruchte dann die Hitlerjugend den Alleinvertretungsanspruch für den Jugendbereich, während alle anderen Gruppierungen nach und nach verboten wurden. Das rief schließlich – und besonders im Krieg - die Gruppen unangepasster Jugendlicher auf den Plan.

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"Jungen und junge Männer unterm Christuskreuz" - Die Sturmschar Stolberg 1928-1945
Chronik der Sturmschar "Maria Himmelfahrt" Wesel (1908-1937)
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Flandernfahrt der Sturmschar St. Andreas Essen (1934)

„Für Christi Reich im neuen Deutschland“ - Die Sturmschar

Die Sturmschar bildete sich 1928/1929 aus Mitgliedsgruppen des Katholischen Jungmännerverbandes, die sich in der Tradition die Wanderbewegung verorteten.[1] Die katholischen Sturmscharen hatten von Beginn an großen Zulauf. Bei vielen Geistlichen und Religionslehrern waren sie jedoch wegen ihres deutlich jugendbewegten Stils und ihres Strebens nach einer Liturgiereform nicht sehr beliebt.

Der Name Sturmschar wurde gewählt, um etwas „Kräftiges" und „Wuchtiges" zu symbolisieren. Die Sturmschar sollte ihrem Selbstverständnis nach aus „Eroberern" bestehen, die keine Schwäche zeigten und sich nur an der von Christus selbst gestellten Aufgabe orientierten.[2] Die Gruppen der Sturmschar traten nach außen sehr diszipliniert auf und besaßen eine entsprechende Durchschlagkraft.

Sie bezeichneten sich als „Streiter für Christi Reich", was verdeutlicht, dass der Reichsgedanke eine äußerst zentrale Rolle spielte. Für die Stürmschärler war das Reich ein dreifach ineinander verwobener Lebensbereich, der - in dieser Reihenfolge - aus dem „Gottesreich", dem „Jugendreich" und dem Deutschen Reich bestand. Trotz der Präsenz des Reichsgedankens positionierte sich die Sturmschar eindeutig ablehnend gegenüber der NS-Ideologie, wie es einer Rede des Reichssturmscharführers Franz Steber aus dem Jahre 1932 zu entnehmen ist: „Die vor allem in der Sturmschar ausbrechende Sehnsucht nach dem Reich machte [die] katholische Jugend weder blind für ihre politische Umgebung, noch verhinderte sie 1931 und später das unmissverständliche Ja zur Demokratie."[3]

Eine Sturmscharordnung legte in 18 Punkten die Grundsätze der Gruppenarbeit fest. So bestimmte beispielsweise der letzte Punkt die Kluft, welche die Mitglieder zu tragen haben: graues Sturmscharhemd, graue Rispelsamthose und schwarze Strümpfe.[4] Die Sturmschar unterteilte sich nach Altergruppen und Status in folgende Untergruppen: Jungmannschaft (Mitglieder über 18 Jahre), Albertus-Gilde (Mitglieder der Oberklassen der Höheren Schulen), Theologenschaft (Theologen) sowie die Jungenschaft (Mitglieder zwischen 14 und 18 Jahren). Heimabende, Fahrten und Lager waren die zentralen Lebensformen der Jungenschaft, welche den wesentlichen Teil der Sturmschar ausmachte. In einem Rundbrief der Sturmschar wird das Besondere und Eigene der Jungenschaft durch folgende Merkmale bestimmt: „durch die Kluft, durch die Gemeinschaft und die Kameradschaft, durch das Heim, durch den Marsch und durch die Banner, durch die Lieder, die heimwerklichen Fähigkeiten und schöpferischen Leistungen, durch die Fahrt und das Lager, durch Zucht und Gefolgschaft, durch die Jungen, die in der Gruppe sind, und besonders durch den Führer, der vorangeht".[5] Die Jungenschaft definierte sich somit als Lebensform einer bestimmten Altersstufe. Eines der beliebtesten Fahrtenziele für die Sturmschar und anderen Gruppen war im Übrigen Altenberg, das ein bedeutendes Zentrum der katholischen Jugend in der damaligen Zeit darstellte.

Für das Jahr 1934 verzeichnete die Sturmschar 28.500 Mitglieder, wovon 10.000 über 18 Jahre waren und davon 7.000 eine Führerposition innehatten.[6] Wie der Katholische Jungmännerverband unterstand die Sturmschar dem Generalpräses des Jugendhauses Düsseldorf, Ludwig Wolker. Beides, Jugendhaus und Generalpräses, hatte für die Sturmschärler identitätsstiftende Bedeutung. Wolker war es, der die Sturmschargrundsätze maßgeblich mitgeformt hatte.

Eine weitere Gruppe, die zwar organisatorisch nicht der Sturmschar angehörte, ihr aber inhaltlich und auch formal eng verbunden war, soll nicht unerwähnt bleiben: die Jungschar. Sie war die Vorstufe zur Mitgliedschaft im Katholischen Jungmännerverband, der 12- bis 14-jährige, später auch 11-jährige Jungen angehörten. Die Leitung der Jungschargruppen erfolgte vorwiegend durch Jugendliche, die in der Sturmschar des Jungmännerverbandes bereits Führungspositionen innehatten. Auch hier gehörten die Heimabende, das Lagerleben und Wandern zu den konstituierenden Elementen des Gruppenlebens. Die Zahl der "Jungschärler" im Deutschen Reich betrug etwa 30.000 im Jahr 1931, für 1934 sind dann sogar rund 100.000 verzeichnet.

Am 26. Januar 1939 wurden mit dem Katholischen Jungmännerverband auch die Sturm- und Jungscharen vom NS-Regime aufgelöst. [7]

Fußnoten

[1] Das Folgende nach: Schellenberger, Katholische Jugend, Schroer, Sie hielten stand, Goldhammer, Franken
[2] Vgl. Schroer, Sie hielten stand, S. 32f.
[3] Zitiert nach Schroer, Sie hielten stand, S. 24ff.
[4] Die gesamte Sturmscharordnung nachzulesen in Schroer, Sie hielten stand, S. 35f.
[5] Sie hielten stand, S. 40
[6] Zahlen nach Goldhammer, Franken, S. 36
[7] Sie hielten stand, S. 19ff.