Annäherungen - „Ich habe furchtbar viel geweint.“
Die ersten Versuche der Auseinandersetzung mit den Inhalten der Briefe waren noch eher unstrukturiert und zufällig. Sie habe durchaus einige der Briefe gelesen, schildert Dorothea Hölzer ihre schrittweise Annäherung an den großen Quellenbestand. Dann sei sie aber dazu übergegangen, nur die Schlusspassagen der Schreiben zu rezipieren, die häufig von großer Nähe und Intimität geprägt sind.
Ihr erster Impuls ließ sie umfangreiche Streichungen in Betracht ziehen. „Ich muss das kürzen! Das kann ich doch nicht bringen!“ Nach einigem Nachdenken entschloss sie sich dann aber zum Gegenteil. „Mein Vater hat diese Briefe vor über 70 Jahren geschrieben, und er hat wirklich seine Liebe zu meiner Mutter in den Briefen ausgedrückt.“ Daher wurde eine Kürzung solcher Passagen entsprechend der Grundidee des Buches sehr bald ausgeschlossen, „denn gerade deshalb bringe ich die Briefe ja“. „Ich will, dass Menschen diese Briefe lesen – mit allem Drum und Dran. Nur dann können sie sich überhaupt ein Bild davon machen, wie die jungen Leute denken und auch leiden.“
Die danach beginnende intensive Beschäftigung mit den Briefen des ihr ja weitgehend unbekannten Vaters wurde für Dorothea Hölzer eine emotionale Berg- und Talfahrt. „Ich habe furchtbar viel geweint“, berichtet sie offen. Aber auch über die aus der Lektüre resultierenden positiven Erfahrungen: „Ich habe meinen Vater kennengelernt.“
Aber nicht nur das. Wenn sie in den Briefen gelesen habe, sei ein sehr vertrautes Gefühl entstanden: „Mensch Vati! Ich bin wirklich wie Du. Ich fühle das Gleiche. Ich habe es immer gefühlt, und jetzt lese ich es da.“ Endlich konnte Dorothea Hölzer damit beginnen, sich tatsächlich als Tochter ihres Vaters zu fühlen. „Ich bin wie Du! Ich liebe wie Du! Das ist wie Du!“
Unter solchen Vorzeichen begann dann auch die Arbeit am Gesamtprojekt. „Was mit mir passierte, ist ja während der Bearbeitung erst gekommen“, schildert sie den Prozess, den sie dabei durchlief. „Ich habe gemacht und geheult – parallel.“