Definition

„Der Brief ist zunächst nichts als ein durch bestimmte Merkmale gekennzeichnetes Mittel, mit dem ein Mensch mit einem anderen kommunizieren kann, der räumlich von ihm getrennt ist.“[1] Als Brief im herkömmlichen Sinn gilt dabei eine auf Papier festgehaltene Nachricht, die in aller Regel in einem verschlossenen Umschlag von einem (Post-) Boten überbracht wird und eine ausschließlich für den Empfänger gedachte persönliche Botschaft enthält. Er besteht im Allgemeinen aus Angaben zu Ort und Tag des Verfassens, einer Anrede, dem eigentlichen Text und einer Schlussformel. Der – oft nicht erhaltene – Umschlag enthält Angaben zum Absender und die Empfängeranschrift.

Aus Sicht der Geschichtswissenschaft gilt nur der Privatbrief als „Brief“. Ist der Verfasser bzw. der Empfänger dagegen eine Amtsperson oder eine Institution, wird das Schriftstück formal den Urkunden oder Akten zugeordnet. Ein „offener Brief“ wiederum, der sich von seiner Intention her an die Allgemeinheit richtet, zählt zu den literarischen Werken. Wegen zahlreicher Mischformen – etwa Geschäftsbriefe, die auch Privates beinhalten – ist eine exakte Definition kaum möglich. Es gilt vielmehr, die jeweils vorliegende Quelle hinsichtlich der skizzierten Formalitäten zu analysieren, um sie anschließend der entsprechenden Quellengattung zuzuordnen.[2]

Es gilt hierbei aber noch weitaus mehr zu beachten. Ein Brief besitzt stets einen „dialogischen Charakter“, weshalb sowohl sein Inhalt wie seine Glaubwürdigkeit als Quelle entscheidend dadurch bestimmt werden, in welchem Verhältnis Absender und Empfänger zueinander stehen. Insofern ist ein Brief zunächst eine Quelle zum Verständnis des Verhältnisses von zwei Personen zueinander, wobei sich die „Glaubwürdigkeit“ von dessen Inhalt jedoch erst allmählich erweisen kann, wenn man ihn mit weiteren Briefen und/oder anderen Quellen in Beziehung setzt.[3]

Zugleich befinden sich Privatbriefe aber auch stets in einem Spannungsfeld zwischen Fiktionalität und Faktizität und können ebenso Aufschlussreiches über die Individualität des Schreibers verraten wie über seine Sozialität. Dabei hebt gerade der ihm innewohnende Bezug zur umgebenden Gesellschaft den „Alltagsbrief“ aus der reinen Privatsphäre heraus. „Seinen Wert als historische Quelle gewinnt der Brief nicht zuletzt also aus seiner Stellung als textliche Spiegelung der individuellen Wahrnehmung von Gesellschaft.“[4]

 

 

Fußnoten

[1] So die Definition von Karl Ermert; zitiert nach Jander, Selbst- und Fremdbilder, S. 28

[2] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Brief

[3] Vgl. Stefan Weiß: Briefe; in: Rusinek, Bernd-A /Ackermann, Volker/Engelbrecht, Jörg (Hg.), Einführung in die Interpretation historischer Quellen. Schwerpunkt: Neuzeit, Paderborn 1992, S. 45-60, hier S. 48

[4] Jander, Selbst- und Fremdbilder, S. 28ff.