Zensur

Die Zensur von Feldpost war keine deutsche Besonderheit, sondern wurde von allen am Zweiten Weltkrieg beteiligten Staaten praktiziert – allerdings nicht überall in gleicher Schärfe.[1] Während etwa italienische Soldaten durchaus harsche Kritik am Krieg und den dafür Verantwortlichen üben durften, mussten deutsche, japanische und russische Armeeangehörige in solchen Fällen mit harten Strafen rechnen. In Deutschland fielen etwaige kritische Äußerungen in Feldpostbriefen unter den Straftatbestand der „Wehrkraftzersetzung“, der mit Gefängnis, Zuchthaus oder gar dem Tode bestraft werden konnte. Die Zahl der hiervon Betroffenen wird immerhin auf 30.000 bis 40.000 geschätzt. Die deutschen Zensurbehörden nahmen ihre Arbeit am 12. März 1940 auf, wobei die Prüfung der Briefe durch die Zensurbehörde des Oberkommandos der Wehrmacht erfolgte.

Die briefliche Übermittlung folgender Inhalte war untersagt:

- Angaben über dienstliche Vorgänge, die der Geheimhaltung unterliegen,
- Gerüchte aller Art,
- Lichtbilder und Abbildungen, die der Geheimhaltung unterliegen,
- Feindpropaganda, zum Beispiel Flugblätter,
- kritische Äußerungen über Maßnahmen der Wehrmacht und der Reichsregierung,
- jegliche Aussagen, die den Verdacht der Spionage, Sabotage und Zersetzung erwecken.

Im Kriegsverlauf war eine deutliche Verschiebung der Zensurbemühungen zu beobachten. Dienten sie zunächst vorwiegend der Abwehr von Spionage, so entwickelten sie sich kontinuierlich zu einem Instrument zur politisch-ideologischen Überprüfung. Die Feldpost wurde in den Prüfstellen hierzu auf „Haltung und Stimmung“, „Stand der Disziplin“, „Geheimhaltung“, „Zersetzung“ sowie „Spionage und Sabotage“ hin analysiert.

Zugleich wurden in Zeitungen, Zeitschriften und anderen öffentlichen Medien immer wieder Anleitungen zum mustergültigen Abfassen von Feldpostbriefen verbreitet. So sollten aus der Heimat beispielsweise keine Probleme, Klatsch und Tratsch mitgeteilt werden, während Frontsoldaten ihre Angehörigen hingegen positiv beeinflussen und zum Durchhalten auffordern sollten. So wurde die „äußere Zensur“, also die Kontrolle der Briefe durch die Prüfstellen der Wehrmacht Schritt für Schritt durch eine „innere Zensur“ ergänzt und überlagert. Das konnte dann zu einer selbstauferlegten Enthaltung gegenüber bestimmten Themen führen, die dann überhaupt keine Erwähnung fanden, um so sicherzustellen, dass der Brief in jedem Fall den Empfänger erreichte und nicht konfisziert wurde. Zu solchen Inhalten, die einer Selbstbeschränkung unterlagen, zählten etwa die Komplexe Sexualität oder Selbstverstümmelung. Zumeist waren die Gründe solcher Selbstbeschränkungen im Schreibprozess aber wohl durch viel näherliegende Aspekte bestimmt. So waren viele Briefeschreiber bestrebt, den realen, oft brutalen und hochgradig gefährlichen Frontalltag zu verharmlosen, um den Adressaten der Briefe – Eltern, Ehefrauen, Kinder – nicht zu beunruhigen. [2]

Wie immer die jeweilige Motivlage auch war, so beeinflusste sie den Inhalt der Feldpost in vielen Fällen doch deutlich und nachhaltig. Das, was in den Briefen geschildert wurde, entsprach dann oft nicht mehr dem realen Alltag an der Front, was den Quellenwert der Korrespondenzen einschränken muss, die dann – nach Martin Humburg – lediglich eine „Konstruktion von Wirklichkeit unter äußeren und inneren zensierenden Bedingungen“ darstellen und jeweils nur für eine „Kommunikationspartnerschaft“ Geltung haben können.[3] Ein Bild der tatsächlichen Brutalität des Lebens an der Front – zumal an jener im Osten – vermögen weit eher – aber auch das natürlich nur in Ansätzen - die wenigen erhaltenen Tagebücher, in denen der einzelne Soldat sein Erleben allein für sich festhielt, zu zeichnen. Ein erschütterndes Beispiel finden Sie hier.

Das bisher Skizzierte trifft aber nicht auf alle überlieferten Feldpostkorrespondenzen zu. So hat etwa eine inhaltliche Analyse von rund 50.000 Briefen ergeben, dass der Großteil der Soldaten ihre Meinungen und Ansichten offenbar unbeeindruckt jeglicher Zensurauflagen erstaunlich offen beschrieben haben. Das hing u.a. sicherlich mit der Erwägung zusammen, dass angesichts eines derart großen Postaufkommens nur ein kleiner Teil der Post tatsächlich von den Zensurbehörden kontrolliert werden konnte.[4]

Eine Möglichkeit, die Zensur irrezuführen, war das kodierte Schreiben, bei dem durch Nutzung von – zuvor zumeist mit den Adressaten vereinbarten – Tarnnamen bestimmte Personen und Orte, aber auch Gefühlszustände und Ereignisse bezeichnen wurden. Ein Beispiel hierfür schildert Frau Hölzer. Viel sicherer und effektiver war aber ein Verfahren, von dem Soldaten immer wieder Gebrauch machten, indem sie auf Urlaub fahrenden Kameraden Briefe und Mitteilungen auf den direkten Weg zum Adressaten mitgaben. Diese Schriftstücke liefen natürlich an der Zensur vorbei, sodass sich der Schreiber, der dies ja wusste, in ihnen weitaus deutlicher äußern konnte, als das im normalen Feldpostverkehr ratsam war.[5]

Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Wirksamkeit der „äußeren“ wie der „inneren“ Zensur auf die jeweiligen Briefinhalte sicherlich vorhanden war. Da die Einhaltung der einschränkenden Vorschriften aber jeweils auch sowohl vom Temperament und Mut des Schreibers als auch der jeweiligen Kriegslage mitbestimmt wurde, und es zudem immer wieder auch Möglichkeiten gab, die Zensur zu umgehen, ist keine auch nur halbwegs genaue Aussage zu etwaigen Auswirkungen möglich. Bei der Analyse von Feldpostbriefen gilt es solche Möglichkeiten stets zu berücksichtigen und im Einzelfall zu prüfen, ohne dass dadurch der Aussagewert dieser Briefe als historische Quelle generell in Frage gestellt würde.

Fußnoten

[1] Vgl. zum Folgenden Kilian, Medium, S. 99ff.

[2] Vgl. hierzu die bei Kilian, Medium, S. 24, zusammengefassten „Eigenschaften des Adressaten“. Hierunter heißt es u.a.: „Der Inhalt einer Botschaft hängt auch von der sozialen, kulturellen, gesellschaftlichen Rolle des Empfängers ab. An ihn ist die Nachricht mit einer bestimmten Intention gerichtet. Diese Schreibabsicht beeinflusst die Auswahl der Themen und deren sprachliche Umsetzung. Hier kommen wesentlich Erwartungen zum Tragen, von denen der Briefverfasser glaubt, dass sie vom Adressaten an ihn herangetragen werden. Der Briefschreiber kalkuliert im Rahmen seiner Erwartungshaltung eine bestimmte Reaktion durch den Empfänger ein, vorausgesetzt es handelt sich um einen Dialog. Mentale und emotionale Charakteristiken des Adressaten können etwa das Verschweigen, Verharmlosen oder eine Direktheit in der Ausdrucksweise von Sachverhalten beeinflussen.“

[3] Martin Humburg, Das Gesicht des Krieges, Opladen, Wiesbaden 1998, S. 117. Vgl. hierzu auch Jander, Selbst- und Fremdbilder, S. 33ff.

[4] Vgl. Buchbender/Sterz, a. a. O., S. 24 und Kilian, Medium, S. 102. Vgl. mit einem interessanten Einzelbeispiel auch Jander, Selbst- und Fremdbilder, S. 34f.

[5] Vgl. Jander, Selbst- und Fremdbilder, S. 35f. Dort, S. 36f. auch zum Folgenden.