Sprechender Feldpostbrief 2
Dieses Tondokumente mit der Länge von 3 Minuten wurde am 17. Oktober 1940 im Standort-Lazarett Stuttgart aufgezeichnet. Absender ist ein „Unteroffizier Lichtenfels“.
Der Text lautet:
„[Aufnahmeleiter:] Unteroffizier Lichtenfels
[Lichtenfels:] „Standort-Lazarett Stuttgart, den 17.10.40. Ihr lieben Seerter [?]! Onkel Rudis langen und alle Einzelheiten erschöpfenden Brief habe ich erhalten und mich sehr darüber gefreut. Ebenso registriere ich den Erhalt von einer Sendung [?]-Zigaretten, die ausgezeichnet schmecken. Ich sage Euch also hiermit meinen herzlichsten Dank.
Nach Ablauf weiterer vierzehn Tage geht es mir wieder recht gut, so dass ich schon die ersten Gehversuche hinter mir habe und die einhundert Meter, das ist die Distanz von meinem Nähkörbchen bis zur Toilette, in zwölf Komma acht Sekunden durchspurte. Es sollen, wie alte Krankenschwestern berichten, früher schon diverse Kranke bei Blähungen und ähnlichen Verdauungsstörungen Weltrekord über diese Strecke gelaufen haben.
Wie ein Blitz aus heiterem Himmel, bzw. wie eine Bombe nach der Entwarnung, schlug die originelle Vermutung Onkel Rudis bei mir ein, dass ich mir hier eventuell ein Schwabenmädchen an Land ziehen würde. Aber so weit geht die Liebe selbstverständlich nicht. Ganz abgesehen davon, dass im ethisch bzw. ästhetischen Sinne eine Legierung zwischen einem Vertreter der norddeutschen Tiefebene und einer südländischen Ariane aus Stuttgart durchaus als glücklich anzusehen ist, und auch vom praktisch-hauswirtschaftlichen Standpunkt eine entsprechende Annäherung, allgemein gesehen, trotz Vorliebe des schwäbischen Elementes für Spätzle und ähnliche artfremde kulinarische Genüsse, anzustreben ist, [Tonstörung]möchte ich doch an dieser Stelle bemerken [Tonstörung] - so möchte ich doch an dieser Stelle bemerken, dass ein ernstlicher Versuch in dieser Konkurrenz oder ähnlich von mir in Stuttgart bisher noch nicht unternommen worden ist. Onkel Rudis sehr wohl zu verstehenden und schmeckleckerischen Vermutungen also, eine solche Eroberung bald in seine onkeligen Arme schließen zu wollen, muss ich daher vorerst enttäuschen. Wenn seine onkeligen Gefühle allerdings [Gongschlag im Hintergrund] bis zu meinem demnächst fällig werdenden Genesungsurlaub noch nicht verflogen sind, so werde ich ihm selbstverständlich eine meiner laufenden Sachen aus Essensüberprüfung vorlegen.
Heute, am 17.10.1940, bin ich genau vier Monate verwundet und liege einhundert Tage im Standort-Lazarett hier in Stuttgart. Ich werde daher den heutigen Tag als einen Jubiläumstag ansehen, Asche auf mein Haupt streuen und diverse halbe Liter trinken. Nun muss ich leider schließen, da die drei Minuten Sprechzeit abgelaufen sind. Ich wünsche Euch hiermit alles Gute und verabschiede mich mit Heil Hitler.“