Johannes Flohr an Mutter und Geschwister, 4. Juli 1942
Russland, den 4. Juli 1942
Liebe Mutter und Geschwister!
Die allerbesten Grüße aus dem fernen Osten sendet euch Johannes. Hoffentlich habt ihr meinen Brief mit Freuden erhalten. Habe ja doch nicht viel Lust zum Schreiben, weil ihr mir noch nicht schreiben könnt, bis ich die Feldpostnummer habe. Man hört und sieht nichts mehr von Zuhaus. Das ist doch eine große Scheiße hier in Russland. Werde doch hoffen, dass ihr noch alle gesund und munter seid, was ich auch noch schreiben kann. Hier in dem Dorf kann uns ja nichts passieren. Aber wir werden doch bald abhauen, es wird schon alles gutgehen. Man denkt schon gar nicht viel nach, weil man doch keine Zeit hat. Ich kann mir ja vorstellen, Mutter, dass du dir Kopfschmerzen machst, aber es ist ja nun einmal so, man kann doch nichts dran ändern.
Aber, Mutter, wenn ich die Feldpostnummer euch geschrieben habe, schickt mir besonders Zigaretten und das andere, was ich euch schrieb. Hunger hat man auch noch, weil man sich nicht richtig sattessen kann, aber damit muss man sich hier in Russland abfinden. Liebe Mutter, wie ist es denn
noch zu Haus und mit dem kleinen Adolf? Hoffentlich noch alles in Ordnung. Und mit Onkel Johann wird es doch auch wieder in Ordnung sein. Wenn es auch mal länger dauert, eh ich geschrieben habe, da müsst ihr jetzt immer mit rechnen. Denn hier geht es nicht so schön mit der Post wie zu Hause. Man denkt erst jetzt nach, wie gut man es zu Hause hatte. Aber die Zeit kommt auch wieder. Nur oft genug schreiben, sonst, wenn man gar nichts von zu Hause hört, das ist Scheiße. Ich freue mich jetzt schon auf die Post, die ich in einigen Wochen erhalten werde. Liebe Mutter, werde euch auch das Geld nach Hause senden, denn hier kann man doch nichts damit machen und ihr könnt es gebrauchen und einen Teil sparen für mich, dass man nachher auch mal richtig essen und trinken kann.
Wie ist es denn mit Käthe und Anna Linden und Anna Wiedenau, die haben sich sicher wieder einen neuen abgeschleppt, die haben die besten Jonge. Also, liebe Mutter, lasst’s euch gutgehen und seid herzlich gegrüßt. Kopf hoch bis auf ein frohes Wiedersehen in der Heimat.
Gruß, Johannes
Viele Grüße an die Nachbarschaft, Oma und Onkel Johann Röttgen und alle Freunde und Bekannte.
Auch könnt ihr mir dann schreiben, wie es mit dem Film ist, den ich von Minden geschickt habe und das Paket von Minden mit den Bürsten und so lustigen Sachen. Hoffentlich ist es angekommen.
Habe so’n richtigen Hunger auf etwas Gutes zu essen, aber dies hört auf. Einmal in der Woche gibt es Schokolade hier und einige Bonbons. Jetzt kann man sich richtig vorstellen, wo das Zeug bleibt, alles für die Soldaten, aber es muss auch so sein, sonst würden die das nicht mitmachen. Onkel Johann wird euch das schon erzählt haben.