August Broil an Marga Ortmann, 11. Dezember 1943
Bremen, den 11. Dezember 1943.
Meine liebe Marga,
wie hat mich Dein Brief froh gemacht, von dem Du sagst, das er nicht hervorholen kann, was seit dem letzten Zusammensein in die Tiefen Deiner Seele sank. Aber zwischen Deinen Zeilen spüre ich davon so viel unsagbar Schönes, und als der Lauf des Briefes Dich immer tiefer in die Gedanken hineinversenkte, da hast Du auch vermocht, Tiefes und Geheimnisvolles auszusagen. Es leuchtet mir da entgegen, als Du von dem Erleben aus Annelieses Hochzeitsfest erzählst. Welch zarte Regungen in den Herzen der Brautleute hast Du nachempfinden können und wie hast Du daraus für uns die rechte Folgerung gezogen. So liebevoll hast Du Dich hineingedacht in das große Geschehen, das die Brautleute nun wirken sollen. Wenn in den letzten Wochen und Monaten meine Gedanken um diese Dinge kreisten, so war mir immer als ob ich einen unergründlich wertvollen Schatz in meinen Händen wiegen würde, hilflos, weil ich nicht wußte wie ich seinem wirklichen Wert gerecht werden könne. Dann habe ich überdacht, daß wir in einer gottgewollten Ordnung etwas Großes zu
vollbringen die Aufgabe haben. Wenn wir den Schatz klar und fein im Hinblick auf dieses Große zu eigen nehmen, dann wird er in unseren Händen noch schöner und edler glänzen können. Wir müssen dem Schatz das Licht sein. Der kostbarste Edelstein ist im Dunkel unscheinbar wie ein wertloser Kiesel. Im Lichte aber zeigt er seinen geheimnisvollen Glanz und seine funkelnde Pracht.
So ist es gut, davon zu sprechen, daß wir eine tiefe und ernste Vorbereitung gebrauchen. Du sagst so fein, daß Du in Deinem schönsten Schmucke mein Eigen werden willst. Ist nicht auch hier der Vergleich mit dem Edelstein treffend, der erst in der wohlgebildeten, kunstvoll erdachten Fassung eingebettet sein muß, um seinen Glanz wohlgefällig dienbar zu machen.
Dies alles, meine Liebste, ist uns in Gedanken ganz nahe gekommen, Dir hat sogar das Erleben beim Feste der Freunde tiefen Einblick gewährt. Wir wollen uns dieser Gedanken ganz klar bewußt bleiben. Denn wir müssen ja bedenken, daß wir in der Gemeinschaft der Menschen, Familie, Verwandte und Freunde, in der wir stehen, nicht einzig nach unseren eigenen Gedanken leben und gestalten können. Wenn wir aber diese Gedanken stets gegenwärtig behalten, dann werden wir auch den rechten Weg finden,
daß unser großer Tag die rechte Vorbereitung auf das große Geschehen nicht hindere, sondern fördere.
Wir wollen darum das äußere Geschehen des Tages und seiner Zeit ganz gewissenhaft bedenken und nach unserem Können ihm alle Möglichkeit geben, der wirklich große Tag unseren Lebens zu werden.
Da der Weihnachtsurlaub ausschließlich den Familienvätern vorbehalten sein wird, werden wir auf den Heiratsurlaub angewiesen sein. Ich will es so einrichten, daß ich am Donnerstag, dem 30. Dezember abends hier weg fahre. Freitag auf Samstag werden wir gemeinsam in der Familie den Anbruch des neuen Jahres feiern. Der Samstag und der Sonntag werden mit vielen Vorbereitungen angefüllt sein. Am Montag würden wir vor dem Standesbeamten unseren Willen kundtun und der Dienstag wäre dann der Tag unserer Hochzeit. Dieser Tag recht zu gestalten wird eine feine verantwortungsreiche gemeinsame Arbeit sein. Ich bin froh, daß Du Deinen Eltern auf diese feine Art die Schwierigkeit genommen hast, die sie bei der Trauung in der Krypta befürchteten.
Nun müssen wir damit beginnen, den ferne Wohnenden, die an unserem
Tag dabei sein sollen, Nachricht zu geben. Mit den Familien Heinen und Klüppel werde ich mich in Verbindung setzen; wenn von ihnen einer dabei sein könnte, das wäre fein. Auch meinen Eltern werde ich schreiben, obwohl Du mündlich ohnehin alles klären wirst. Aber besonders Mutter gegenüber muß ich das tun. Die Anschriften für die Anzeigen werden vervollständigt, müssen jedoch von den Eltern noch ergänzt werden, weil ich nicht alle aufgeschrieben habe, die mit der Familie zusammenhängen.
Jetzt werdet Ihr die Vorbereitungen für den Umzug treffen, die etliche Arbeit kosten, wenn auch die Habe nur klein ist. Meinen nächsten Brief kann ich sicher schon zur Aachener Str. schicken.
Marga, Du meine Liebe, ich grüße Dich in herzlicher Freude und bin so sehr in meinen Gedanken bei Dir
Dein August