Familie Kreuser

Beim Brief-Nachlass der Fabrikantenfamilie Kreuser aus Köln-Bickendorf handelt es sich um eine „klassische“, kriegsbestimmte Familienkorrespondenz. Nachdem Mutter Sophia Kreuser im Mai 1939 gestorben war, war der 1881 geborene Vater Fritz alleiniges und unumstrittenes Oberhaupt der tief im Katholizismus verankerten Großfamilie mit insgesamt zwölf Kindern, von denen drei Söhne nicht aus dem Krieg zurückkehren sollten. 1935 hatte Fritz Kreuser eine Papiergroßhandlung gegründet, die er zunächst von Bickendorf, nach schweren Zerstörungen ab Mitte 1943 dann verstärkt von Neuwied und Meudt aus leitete.

Fritz Kreuser unterstützte unter anderem die Jugendarbeit seiner Heimatpfarrei Hl. Dreikönigen in Bickendorf. Zeitzeugen erzählen, dass beispielsweise Kaplan Rudolf Stiesch, dessen Kriegskorrespondenz mit jungen Pfarrangehörigen hier ebenfalls einsehbar ist, die betuchte Fabrikantenfamilie häufiger zum Mittagessen am Sonntag besuchte, um dabei „die Hand aufzuhalten“, um mit dem dabei erzielten Spendengeldern die Arbeit mit den zumeist eher armen Pfarrjugendlichen finanzieren zu können.

In der Pfarrjugend waren aber zumindest einige der Kreuser-Kinder aktiv. So schrieb einer der jüngeren Aktiven im September 1943 anlässlich des Todes von Ludwig Kreuser an dessen Familie: „Als ich vom Tode Ludwigs erfuhr kamen mir all die Bilder in Erinnerung, wie ich ihn kenne. Seine Briefe, die Kpl. Stiesch uns oft im Heimabend vorlas, waren in Stil, Anlage und Inhalt vorbildlich. Hier war mehr, als kaufmännisches Können, auch mehr als ein tiefes Wissen, hier war lebendiges Christentum! So haben wir es nämlich immer empfunden. Als Quelle und Grundlage kommt nur eine echt christliche Erziehung in Frage. Das aber ist der schönste und einzig bleibende Trost für uns.“

In den Briefen geht es aber auch anderes, etwa die Verhaftung von Vater Fritz im Jahr 1943 oder jene von Sohn Ludwig. Gründe, Umstände und Folgen sind in diversen Briefen ebenso genau nachzulesen wie die (luft-) kriegsbedingte Verteilung der einzelnen Kinder an sehr verschiedenen Orten.

Ungewöhnlich ist die Überlieferungsgeschichte und letztlich „Rettung“ des Briefnachlasses. EzG-Betreiber Dr. Martin Rüther stieß am 26. August 2009 während der morgendlichen Zugfahrt ins NS-DOK nach Köln auf eine Todesanzeige für eine Johanna Kreuser aus der Hl. Dreikönigen-Pfarre in Bickendorf. Weil er sich kurz zuvor intensiver mit der Korrespondenz von Kaplan Stiesch beschäftigt und am Vorabend in dieser Sache Zeitzeugen in Köln-Bickendorf aufgesucht und interviewt hatte, kamen im Name, Pfarrei und Adresse bekannt vor. Er wandte sich daher brieflich kurzentschlossen an die Traueradresse und erhielt umgehend eine positive Reaktion von Roswitha Dreiser-Kreuser, der Nichte der verstorbenen Johanna Kreuser. Es stellte sich heraus, dass mit ihr das letzte der zwölf Kinder von Sophia und Fritz Kreuser gestorben war. Tatsächlich hatte sie in ihrem Keller den Brief-Nachlass ihres Vaters und ihrer Geschwister aufgehoben, und Frau Dreiser-Kreuser erklärte sich bereit, diese Unterlagen einer ersten Sichtung zu unterziehen. Dabei stellte sich heraus, dass die Materialien im feuchten Keller und insbesondere infolge eines früheren Wasserschadens erheblich gelitten hatten. Sie rettete kurzentschlossen, was noch zu retten war, nahm die Unterlagen mit nach Hause, von wo sie dann den Weg ins NS-Dokumentationszentrum fanden, wo sie seitdem unter N 1055 aufbewahrt werden. Frau Dreiser-Kreuser einen herzlichen Dank für ihre schnelle und unkomplizierte Unterstützung.

Bei der Sichtung des Materials stellte sich neben feuchtigkeitsbedingter Schäden leider auch heraus, dass die schweren Bombertreffer Mitte 1943 nicht nur die Firmengebäude schwer in Mitleidenschaft gezogen, sondern große Lücken in die offenbar dortigen Büro aufgehobenen Korrespondenzen gerissen hatten. Hier ist nun zugänglichen Briefe sind das, was damals gerettet werden konnte, später verfasst wurde und dann auch noch den Wasserschaden im Keller von Johanna Kreuser überdauerte.