Familien
Für viele der oftmals weit auseinandergerissenen Familien stellte die Feldpost während des Zweiten Weltkriegs die einzige halbwegs verlässliche Möglichkeit des Austauschs und der Kommunikation dar. Die Ehemänner, Väter und älteren Kinder bzw. Geschwister an den zahlreichen Fronten, die jüngeren in der Kinderlandverschickung, beim Reichsarbeitsdienst oder im Einsatz im Rahmen eines der immer zahlreicheren Kriegshilfsdienste, Mütter, Kleinkinder und Großeltern in der Evakuierung: Zwischen 1939 und 1945 geriet eine ganze Gesellschaft in immer stärkere Bewegung, durch die sich nahezu sämtliche gewohnten sozialen Bande zunehmend auflösten.
Um zumindest ein vages Gefühl familiären Zusammenhalts aufrechtzuerhalten wurden ungezählte Briefe zwischen den verschiedenen Einsatz- und Aufenthaltsorten ausgetauscht. Ging es dabei in erster Linie um den Austausch von Informationen und dem sprichwörtlichen Senden von „Lebenszeichen“, dienten viele dieser Schreiben aber auch einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Zeitumständen, der Schilderung des persönlichen Befindens, der Selbstvergewisserung, der Verarbeitung von Erlebtem, aber auch der Zukunftsplanung.
In solchen Kontexten wurden naturgemäß – und abhängig vom jeweiligen „Standort“ der Familie und deren Angehöriger – häufig auch um politische, moralische und religiöse Dinge, wobei angesichts stets drohender Zensur gerade hinsichtlich sensibler Fragen oft auch erhebliche Zurückhaltung geübt wurde. Daher gilt es immer auch – wie bei allen Briefen der NS-Zeit - „zwischen den Zeilen“ zu lesen.
Gerade solche Korrespondenzen von häufig großen Familienverbänden spiegeln viel vom Kriegsalltag. Sie führen die Zerrissenheit vor Augen, veranschaulichen die permanente Todesgefahr und zeigen zugleich die „kleinen Fluchten“ aus solch bedrohlichen und bedrückenden Lebenslagen.
Allerdings sind die hier zugänglich werdenden Konvolute nie reine Familienkorrespondenzen, sondern beinhalten immer auch die Briefe, die einzelne Familienangehörige an Freund*innen und andere Bekannte richteten. Das gilt im Übrigen umgekehrt auch für viele der hier an anderen Stellen präsentierten Briefwechsel. So beinhaltet etwa das umfangreiche, von Hugo Kreutzer zur Verfügung gestellte Konvolut keinesfalls nur den Austausch mit den Angehörigen des Steller „Kreises“, sondern auch die Feldpost, die er mit Eltern und Geschwistern wechselte.