Sturmschar Heidkamp

Diese umfangreiche Chronik der Sturmschargruppe „Landsknecht“ ist ein gutes Beispiel für das Selbstverständnis und den Zusammenhalt der Jugendlichen, die dann während des Krieges zu Männern und eben auch Soldaten wurden. Gerade durch den langen Berichtszeitraum von 1931 bis weit in die Nachkriegszeit lässt sich vielen Fragen nachgehen; etwa jener, wie die NS-Zeit und die Kriegserlebnisse auf die einzelnen Gruppenmitglieder wirkten, denn nach 1945 verfassten jene, die den Krieg überlebt hatten, Berichte über Ihre Erlebnisse.

Zudem ist neben der mehrbändigen Chronik und einem Fototagebuch der Großfahrt des Jahres 1936 eine „Chronik-Ergänzungsmappe“ überliefert, in der seit 1931 die Rundschreiben, Einladungen und (offiziellen) Korrespondenzen der Gruppe, aber auch gruppeninterne Diskussionen ihren Niederschlag fanden. Insofern handelt es sich um die „Akten“ der Gruppe, die ebenfalls hochinteressante Einblicke gewähren.

Die Gruppe steht in engem Zusammenhang mit der Bergisch Gladbacher Familie Engeländer. Zwei Engeländer-Söhne waren Sturmscharmitglieder, und ein dritter und zugleich der älteste, Hermann Engeländer, setzte sowohl der Gruppe als auch dem spirituellen Zentrum der katholischen Jugendbewegung des Rheinlands – „Haus Altenberg“ - später in seiner Dokumentation „Wir waren Zeuge“ eine Art Denkmal.[1] Von ihm findet sich hier an anderer Stelle zudem ein persönliches Tagebuch aus dem Jahr 1942.

Nach Verbot des KJMV und damit auch der Heidkamper Sturmschar wurden die engen Beziehungen untereinander soweit eben möglich aufrechterhalten. Am Beispiel dieser Gruppe und der von ihr (nach Kriegsende) fortgesetzten Chronik wird aber vor allem auch ersichtlich, wie schnell der Krieg solche Gruppengeflechte auflöste und deren ehemaligen Angehörigen an die verschiedensten Fronten verschlug. Als die Sturmschar-Mitglieder nach Kriegsende versuchten, ihre alten Beziehungen zu reaktivieren verfassten sie kurze Biografien, denen die jeweiligen Einzelschicksale zu entnehmen sind.

Die Sturmscharchronik mit begleitenden Unterlagen wird unter der Signatur O 22 im Stadtarchiv Bergisch Gladbach aufgehoben. Dessen Leiter Albert Eßer einen herzlichen Dank für die gewohnt kollegiale Kooperation!

Zur jüngeren Garde der Heidkamper Sturmschar zählten Josef Koll und Heinz Trier, mit denen noch Video-Gespräche geführt werden konnten, aus denen dann ausführliche Lebensgeschichten erarbeitet wurden. Jene von Josef Koll ist hier, die von Heinz Trier hier einsehbar. Sie zählte bei zu jener Gruppe innerhalb der lokalen Sturmschar, die um 1936 das chronikartig aufgezogene Heft „Christus Jungen“ produzierten. Diese Quelle wurde von Josef Koll zur Reproduktion zur Verfügung gestellt. Allerdings hatte er nur noch wenige farbige Seiten in seinem Besitz, während ihm der größere Teil der Quelle nur noch in Kopie vorlag.

Dieses schmale Heft gewährt tiefe Einblicke in Denken und Selbstverständnis von Sturmscharmittgliedern in für sie von Zurückdränung und Verfolgung geprägten schweren Zeiten. Es zeigt zugleich aber auch deren ungebrochenes Selbstbewusstsein.

Aus dem Besitz von Josef Koll stammt auch ein Fotoalbum, das ebenfalls Einblicke gewährt in das Leben der Sturmschar Heidkamp sowie in die Haftzeit, die Josef Koll als deren Angehöriger im Kölner EL-DE-Haus und im Gestapo-Gefängnis Brauweiler verbringen musste. Es ist hier ebenfalls einsehbar.

Fußnoten

[1] Über seine Erfahrungen während der Jahre der NS-Zeit veröffentliche Hermann Engelländer 1980 – allerdings nur als kopiertes Manuskript - die zweibändige Dokumentation „Wir waren Zeuge. Ein Mosaik-Fragment zur Geschichte in den Jahren 1930-1945“. Die findet sich u.a. in der Bibliothek des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln.