August Broil an seine Frau Marga, 3. Januar 1945

Am Vorabend zum Jahrestag unseres Hochzeitsfestes.

Meine liebe Marga,

zu den zahlreichen Festtagen des Jahres, die das Menschenherz aus der Alltäglichkeit herausheben zu besonderem Denken und Fühlen, ist nun unser beider schönster Festtag, unser Hochzeitstag gekommen. Seit den Tagen vor Weihnachten bin ich in diese Gedanken so sehr versunken, wenn nur irgendwie die Zeit und Gelegenheit es zulassen. Und ich glaube, daß unser Leben lang diese Festzeit zu ihrem an sich schönen Glanz noch ganz beosnders leuchten wird; denn trotz der vielfach eigenen Umstände, die gerade unsere Hochzeit begleiten, sind uns viele Einzelheiten besonders liebe Erinnerungen, vielleicht noch viel liebere als wenn es anders gewesen wäre.

Wenn ich jetzt hier mit meinen Kameraden am Tische in der rauchdichten Stube sitze, die einen beim Kartenspiel, die anderen beim Erzählen, dazu Wein und etwas Schnaps zur nachträglichen Feier des Jahres, dann weiß ich, daß Du heute abend auch vielen Gedanken zwar unter anderen Umständen als ich nachgehen wirst, die sich mit all den schönen Erlebnissen befassen, die uns von unserem Festtag in Erinnerung sind, befassen. Voll Sehnsucht und Glut muß Dein Herz jetzt sein, da es weiß, was in diesem ersten Jahre unserer Ehe uns alles wiederfahren ist. Als am Tage unserer Hochzeit Du Dich weit aufgetan hast für dieses große Erleben, da hast Du sicher nur geahnt, zu welcher Größe der Erlebenskraft Du Dich öffnen würdest. Wenn ich in diesem Jahre Dich mehr und mehr in mich aufgenommen habe, wenn ich erlebte, wie Du tiefer und näher zu mir kamst, wenn ich es manchmal kaum fassen konnte, wie groß und stark Deine Liebe und Deine Hingebungskraft wurde, dann weiß ich auch,

wie herrlich und gut der Herr uns füreinander geschaffen hat.

Nun ist der Morgen angebrochen, unser Morgen, an dem wir vor Jahresfrist das große Wort unseres Lebens gesprochen haben. Nach tagelangem hellen Sonnenwetter ist der Himmel heute trüb verhangen. An jenem Morgen war es äußerlich wohl noch trüber und dumpfer. Aber die Freude und das Licht in usnerm Herzen waren umso heller und klarer. Nicht anders ist es auch an diesem Morgen. Da leuchtet in mir das helle Licht all des Glückes, das wir empfangen haben. Ich lasse in Gedanken all das Erlebte dieses Tages wieder aufleben, viele Einzelheiten werden mir wieder bewußt. Doch so groß auch alles Erleben dieses Tages gewesen sein mag, das größte war doch die Gnade, die wir durch die Kraft des Sakramentes empfangen haben. Wir beide haben wahrlich in all dem Glück des ersten jahres die Gnade wirklich nötig gehabt, denn in der Bewußtheit haben wir neben dem großen Glück Schmerz und Leid tragen können. Und wir haben es so tragen können, wie wir es in der Gnade tragen mußten: nicht als unüberwindliche Last, sondern als Opfer, das der Herr uns zu bringen für würdig fand.

Meine Liebe, wenn ich nun an diesem Tage Deiner und unserer Gemeinsamkeit ganz besonders innig gedenke, dann tue ich es im Hinblick auf die Gnade, und wir wollen unser ganzen Wünschen und Sehnen in die inbrünstige Bitte hineinlegen: Herrgott, laß uns auch weiter in unserem Leben und in unserer Gemeinsamkeit Deiner Gnade teilhaftig werden, damit wir in voller Kraft immer nur Deinen Willen erfüllen in allem Glück, in aller Freude, in aller Not und in allem Schmerz. Meine Marga, komm in das neue Jahr der Gemeinsamkeit mit mir, und unser Leben möge gut und froh sein

Dein August.