August Broil an seine Frau Marga, 11. Dezember 1944
O. U. den 11. Dezember 1944
Meine liebe Marga,
heute abend möchte ich eine Weile mit Dir plaudern, nur so leicht dahin; immer große Probleme wälzen, das geht ja nicht, dann werden die schließlich noch zu alltäglich. Weißt Du, das Plaudern ist ja n sich nicht so sehr meine Sache, besonders das unbeschwerte, leichtfüßige Plaudern nicht. Es muß schon den äußeren Umständen nach möglich sein und ich muß auch dazu aufgelegt sein. Manchmal haben wir ja gemeinsam solche Stunden gehabt. Am schönsten waren sie wohl in Bergisch Gladbach; denn dort waren unsere gemeinsamen Stunden wohl am unbeschwertesten. Weißt Du, wie wir da oft bis in die späte Nacht hinein erzählt haben? Damals hatten wir den Krieg wohl schon recht hart zu spüren bekommen, aber wir hatten uns voller Hoffnung über die ganze Not und Erbärmlichkeit hinweggesetzt, und das war auch gut so; denn sonst wäre uns nicht solche wundervolle Unbekümmertheit möglich gewesen, die ihre ausgleichenden Wirkungen auf unsere Gemüte nicht verfehlte. Aber inzwischen ist das Erleben dabei nicht stehen geblieben. Stunden tiefer und immer neu gesteigerter Gemeinsamkeit wurden uns geschenkt, und wir haben sie alle dankbaren Herzens hingenommen. Und dann waren die Sorgen und Ungewißheiten der langen Trennung mit uns, in denen immerfort die Sehnsucht, die Hoffnung und vor allem die Freude und Erwartung auf unser Kindlein ausgleichend wirkten.
Und ach, wie groß war die Freude des ersten Wiedersehens, als Du schon alles bereitet hattest für das Kommen unseres Kindleins. Wir beide und viele liebe Menschen glauben ja heute fest, daß Gott der Herr mit unserem Winfried das allerbeste vorhatte, als Er sein Leben von uns zurückforderte. Wenngleich der Schmerz, gemessen an der vorhergegangenen Freude riesengroß war, so sind wir beide deshalb nicht untröstlich, weil wir versuchen, uns dem Willen des Vaters zu beugen. Wie groß und schön war unter diesen Gedanken unser Wiedersehen in Flerzheim. Doch die Not und das Unglück sind meist sehr vielfältig. Wir wurden aus unserer lieben, ehemals so schönen Stadt vertrieben, und das Glück war uns so gnädig, daß Du mit mir gehen konntest in die Ruhe und den Frieden der Heide. Wenn auch der Ernst tiefer und schmerzlicher Erlebnisse nicht ohne Wirkungen auf uns blieb, so haben wir unsere gemeinsamen Tage, wenn auch nicht unbeschwert und beschwingt, so doch in einer besinnlichen, vom Ernst der Stunde getragenen Gemeinsamkeit erlebt. Als uns dann nach dem zweiten Urlaub noch einige wenige Tage geschenkt wurden, da war wohl die Tiefe und Bewußtheit des gemeinsamen Tuns und Handelns riesenhaft groß und unsagbar schön, und wir durften es danach wagen, auch ganz geheimen Hoffnungen wieder Raum zu geben. Doch wir lassen den Willen des Herrn wie stets, so hier ganz besonders walten. Was der Herr uns nahm, um uns zu prüfen, kann er uns noch vielfach und schöner wiederschenken.
So geht nun, meine Liebste, mit raschen Schritten ein Jahr zu Ende, das erste unserer vollen Gemeinsamkeit. Wir können es in seiner Fülle der Erlebnisse und des Erlebens kaum fassen und müssen nur staunend davorstehen und feststellen, was der Herr alles in zwei Menschenherzen legen kann, wenn Er sie auf ewig miteinander verbunden hat. Wenn es jetzt dem hohen Weihnachtsfeste entgegengeht, dann muß ich daran denken, wie ich im letzten Jahr Dein Päckchen mit aller Liebe und Sorgfalt auseinandertat. Es war mir damals wie ein letztes Zeichen Deiner jungfräulichen Verschlossenheit vor der endgültigen, von Gott gesetzten Gemeinsamkeit. Ihr haben wir uns nun verschrieben in Glück und Schmerz und sind nach diesem ersten
Jahr, trotz vielfacher Trennung und Prüfung und vielleicht gerade deshalb ein gutes Stück darin weitergekommen. Und so soll es für alle Zeit, die uns zum gemeinsamen Weg geschenkt ist, bleiben.
Wir reichen uns die Hände mit festem Druck und sind uns ganz herzlich zugetan
Dein August.
In den letzten Tagen habe ich das nachgeholt, wozu ich in Uelzen keine Gelegenheit mehr hatte. Meine Zähne sind fürs erste wieder so weit in Ordnung. Vor allem aber habe ich den Bandwurm jetzt los. Es war ein kleine Pferdekur, aber sie hat sich gelohnt. Etwa 6 m lang war der elende Schmarotzer. Die Gewichtsabnahme war in der letzten Zeit zu augenscheinlich, daß mich selbst die Kameraden darauf aufmerksam machten. Nun werde ich mit etwas Zusatzkost das verlorene bald wieder aufholen.