Marga Broil an ihren Mann August, 27. April 1944
Köln, den 27. April 1944.
Mein lieber August,
wieder hat der Tod eine tiefe Lücke in die Reihe unserer Freunde gerissen. Gerade bekomme ich die Nachricht, daß Toni Kramer Anfang März gefallen ist.
Nun ist auch dieses junge, blühende, strahlende Leben jäh ausgelöscht worden und der Schmerz, den dieser Tod auslöst, geht uns besonders nahe, weil die letzten großen Geschehen seines Lebens, Liebe und Ehe und deren Erfüllung in der frohen Erwartung auf das neue Leben unserem Leben so verwandt ist. Ich sehe ihn noch vor mir, als wir in den ersten Tagen unserer ehelichen Gemeinsamkeit in Annelieses Heim in Gladbach mit ihm und seiner Anneliese zusammen waren: den offenen, strahlenden Blick, aus dem die ganze Echtheit und Geradheit seines Wesens leuchtete, als er mit Begeisterung und jugend-frohem Idealismus uns seine Einstellung zu den Fragen und Schwierigkeiten der Zeit wissen ließ. Anneliese hat mir noch so manches von den beiden anvertraut, was mich sie wirklich lieb gewinnen ließ. In den letzten Tagen bangen Wartens spürte ich aus ihren Gesprächen, wie ihre Gedanken sich in Sorge in das Furchtbare hineintasteten, das nun für sie Gewißheit geworden ist. Und wie tapfer und treu, mit wahrhaft christlichem Starkmut sucht sie nun seiner Herr zu werden. Ach August, wie hart, wie unsagbar schwer ist die Bürde, die heute auf die Schulter der Menschen gelegt wird, die ihr Liebstes auf die Opferschale des Krieges legen müssen. Man schrickt immer wieder davor zurück, sich selbst
in eine solche Lage hineinzudenken, und doch nur dann kann man den Schmerz der anderen in seiner ganzen Bitterkeit verstehen. August, wenn ich bedenke wie groß das Leid ist, das uns umgibt, das uns täglich und stündlich vor Augen tritt und unsere Seele zutiefst ergreift, dann muß ich mich manchmal fragen, wie es uns da noch möglich ist, daß wir das Glück unserer Liebe und die Freude unserer Gemeinsamkeit so fein und tief und frei von aller Belastung erfahren und verkosten dürfen. Aber der Herrgott meint es so gut mit uns, er kennt die Unzulänglichkeit unserer menschlichen Kraft und schenkt uns darin eine Quelle der Freude, die auch die dunkelsten Wasser der Trübsal nicht zu trüben vermögen. Alles Geschehen, das heute in hastender Folge auf uns einstürmt, liegt letztlich in Seiner Hand - mag es für uns auch noch so unbegreiflich sein. Wir wissen nicht, welche Opfer noch von uns gefordert werden und wann ihre Stunde kommt. Darum laßt uns mit dankbarem Herzen hinnehmen, was uns geschenkt wird und darum bitten, daß wir aus Seiner Kraft alle hellen und dunklen Stunden bestehen mögen, die unser harren.
Mein lieber August, laßt uns gemeinsam im Gebet des Freundes gedenken, den der Herr in Sein ewiges Reich abberufen hat. Möge Er bald das Ziel erreicht haben, dem wir alle zustreben, der Vollendung unseres Menschseins in der Anschauung Gottes.
Deine Marga.