Kaplan Stiesch an Dr. Alois Sistermann, 5. April 1940

Rudolf Stiesch   Köln Bickendorf   Schlehdornweg 1

5. April 40

Lieber Freund!

Für die schönere Zukunft freundlichen Dank! Ich habe die Hefte durchgeblättert und manches Interessante gefunden. Soll ich die Hefte jetzt ab und zu an Soldaten weitergeben? An der Front wird doch gewisz mehr Lesestoff verbraucht als hier in der Heimat. Allerdings hörte ich von solchen, die noch in der Ausbildung stehen, dasz sie kaum eine freie Minute zur Lektüre hätten und dauernd angespannt wären. Von einem Bickendorfer weisz ich die Graudenzer Adresse: Josef Steinbüchel geboren am 11 4 21. Nachr Ers Zug Pion Bat 253. Durch einen Zufall können Sie den Jungmann vielleicht einmal kennen lernen. Er entstammt einer kinderreichen Familie. 5 Jungen sind Soldaten. Eine Nichte von ihm habe ich in den Seelsorgstunden. Sie ist eifrig dabei.

Vorigen Mittwoch war ich zu den Exequien von Pfarrer Dr Landmesser. Man konnte ja voraussehen, dasz es bald so kommen muszte, aber erschüttert war ich doch. Nach den Exequien lernte ich seinen besten (Jugend)freund aus Mörs kennen. Aus seinen Erzählungen lernte ich doch manches Unverständliche aus seinen letzten zwei Jahren begreifen. Sein Gedächtnis hatte so stark gelitten, dasz er den Vor-Namen dieses Freundes vergessen hatte. Er schrieb ihm eine Karte mit der Überschrift: „Lieber   ?   Greven“. R.i.p.

Mein Schwager Walter ist seit 14 Tagen wieder zu Hause. Er hat sich eigentlich zu seinem Vorteil verändert. Er ist bedeutend ruhiger und besinnlicher geworden.

Wie geht die Sache mit den Rhythmen voran? Das Hochland

hat das Deutsche Gebet leider nicht aufgenommen.

Soll ich sonst etwas in dieser Richtung unternehmen?

Was soll ich sonst erzählen. Von Herchenbach habe ich dieser Tage die kleine Erzählung gelesen: Die Franzosen in Kaiserswerth. Als Junge von 10 Jahren hatte ich das Buch schon einmal gelesen. Ich erinnere mich noch mancher Namen. Künstlerisch ist das Büchlein aber doch recht anspruchslos. Die Generation damals und heute hatte einen anderen Lebensstil und ein anderes Sprachempfinden. Helene Haluschka spricht für mein Empfinden besonders gut den modernen gläubigen Menschen an.

Mit freundlichem Grusz Ihr allzeit getreuer