Rudi Conin an Kaplan Stiesch, 4. Dezember 1940

Frankreich, 4.12.40.

Mittwochabend. Es ist früh dunkel geworden draußen macht der Engländer Versuche über die Stadt zu kommen. Die Flak scheint aber auf Draht zu sein, denn draußen ist die schönste Schießerei. Ich sitze hier im Luftschutzkeller und habe jetzt die beste Zeit zu schreiben.

Nach einer interessanten Fahrt durch Holland, Belgien und Frankreich sind wir hier an der Kanalküste angekommen. Hier sehen wir das wahre Gesicht des Krieges. Ganze Dörfer und Stadtteile liegen in Trümmern. Nichts blieb verschont. O.T. (Org. Todt) und R.A.D. sind damit beschäftigt die Häuser einigermaßen wieder bewohnbar zu machen. Wir gebrauchen die Ruine der zerstörten Häuser etc. zu anderen Zwecken. Leider sind auch sehr große Kunstwerke dabei vernichtet worden.

Hier in unserem Standort, den Sie vielleicht auch von Ihrer Englandfahrt kennen, ist nun allerlei vernichtet. Das Stadtviertel Nord liegt ganz am Boden. Bei unserem 1. Standorturlaub wollen wir die Gegend einmal näher besichtigen.

Bis heute hatten wir noch keinen Standorturlaub, denn unsere Arbeit muß schnellstens fertig sein. Vorläufig muß sogar Sonntags gearbeitet werden. Wie lange unser Einsatz dauert wissen wir nicht.

Ich hatte nun auch noch Zeit die letzten Briefe von Ihnen und Otto zu lesen. Die Themen der Heimabende sind ganz in Ordnung. Nur eines habe ich schon

während der Arbeitsdienstzeit festgestellt. Unsere Arbeit ist viel zu engherzig. Wir müssen unseren Arbeitsbereich bedeutend erweitern. Hier in meinem Lager wurde vor allem der dreißigjährige Krieg und sogar die Entstehung des Weltkrieges uns und den Freimaurern in die Schuhe geschoben. Bethmann Hollweg und die nachfolgenden Reichskanzler sollen alle vom politischen Zentrum bezw. Katholizismus herauskommen. Auch darüber könnte nach meiner Meinung in der älteren Gruppe gesprochen werden.

Für heute Ihnen und allen Kameraden Gruß und Heil

Rudi