Kaplan Stiesch an Werner Niederwipper, 4. August 1941
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
4. August 1941
Lieber Werner!
Dir herzlichen Grusz. Aus Deinem letzten Brief sehe ich, dasz Du um Willi Stupps Vollendung schon weiszt. Wir hatten leider noch einen Verlust in der Gruppe. Hans Boyen vom Sandweg hat in Boppard beim Schwimmen einen Herzschlag bekommen und ist ertrunken. In Andernach kam er an Land und ist auch dort beerdigt worden. Man kann es gar nicht fassen, wie einem so die besten entrissen werden. Der letzte Brief, den ich an Willi Stupp geschrieben hatte, kam zurück mit dem Bemerken. „Neue Anschrift abwarten“. Übrigens hatte ich in diesen letzten Brief noch auf seinen Wunsch einen Durchschlag Deines Briefes an Otto Mundorf beigefügt über die Stellung zum Mädchen. Er hat ihn also nicht mehr lesen können. R.i.p.
14 Tage Urlaub habe ich in Paderborn und Menden iW mit meiner Mutter zugebracht, recht schöne und sonnige Tage. Paderborn hat ja einen bedeutenden Dom und viele schöne alte Patrizier und Bürgerhäuser. Dort lernte ich einen Kradschützen kennen aus Halle an der Saale, der sehr unheimliche Geschichte erzählte aus Polen und Frankreich. Er war evangelisch und einem doch ganz vertraut und nahe trotz seines ganz andern Lebensstiles. Köln zB kannte er nur dadurch, dasz er hier einmal 8 Tage ununterbrochen Karneval gefeiert hat, was ungefähr 500 RM kostete und die schönste Zeit seines Lebens war. Er hatte selbst auch viel Rheinisches in seinem Temperament, trotzdem er ein halber Sachse war. So wird man in der Kriegskameradschaft manchem andergearteten Menschen doch in der zutiefst menschlichen Sphäre nahe begegnen können.
Dann in Menden eine streng katholische erbgesunde Familie wo es einem fast vorkam als ob man unter Verwandten lebte. Vielleicht
war die Familie auch entfernt verwandt, denn ein starker Zweig meiner Vorfahren stammt dort aus Menden, Hemer und dem benachbarten Sauerland. Den Namen Niederwipper traf man übrigens auch in Paderborn an auch an Zusammensetzungen mit –wipper. Die Familiengeschichte ist ja ein interessantes Kapitel. Nur schade, dasz die Sache augenblicklich noch etwas zu teuer wird.
Hier herrscht augenblicklich Ruhe. Es ist wenig Alarm und in der Pfarrjugend ist auch Ruhe. Die meisten Jungen sind in Ferien fort so dasz man nichts rechtes unternehmen kann.
Diese Woche erfuhr ich authentisch von Professor Zender, dass der erfolgreiche Kampfflieger Mölders echt katholisch ist, und früher in Neudeutschland eifrig dabei gewesen ist. Ich glaube diese Tatsache ist apologetisch von Wert. Ich hatte schon so etwas von Willi Geurtz gehört.
Hubert war mal mit Hänschen Wild hier und erzählte von seinen Erlebnissen in Wien und unterwegs. So Jungen bekommen doch etwas von der Welt zu sehen. Mehr als wir damals in dem Alter. Und sie lernen es früh auf eigenen Füssen zu stehen.
Herzlichen Grusz!