Kaplan Stiesch an Otto Mundorf, 25. Januar 1942

Rudolf Stiesch   Köln Bickendorf   Schlehdornweg 1

25. Januar 1942

Otto!

Noch immer stecke ich in ziviler Kleidung und ich bin mal gespannt wie lange das dauert. Von dem ganzen Schub der Kölner Kapläne, die Anfang Dezember Bescheid bekamen, ist noch keiner weg. Heute bekam ich von Pater Karl Breuning aus Valkenburg Bescheid, dasz von dort 17 Patres am 4. Februar wegkommen als Sanitäter. Es könnte ja sein, dasz das auch für der Stichtag ist.

Hast Du den Pater Breuning eigentlich mal kennen gelernt? Es ist schon interessant, sich mit ihm zu unterhalten. Diese Orden geben ihren Mitgliedern ja naturgemäsz einen weltweiteren Blick als wir ihn besitzen, in die Fron des täglichen Berufes eingespannt. Seine Anschrift lautet Karl Breuning Valkenburg Limburg Holland Ignatiuskolleg. Ich glaube, dasz er sich sehr freuen würde, wenn er einmal von Dir einen gelegentlichen Grusz bekäme.

Was Du von der Nikolausfeier und Weihnachtsfeier schreibst, stimmt im wesentlichen. Auch ich war mit beiden Feiern nicht zufrieden. Nur darf man die Schuld nicht einseitig auf die abladen wollen, die die Feiern vorbereitet haben. Den gleichen Anteil an Schuld tragen die Jungen bei beiden Feiern selbst durch ihren völligen Mangel an einer der Stunde entsprechenden geistigen und körperlichen Haltung. Ich habe das auch am Schlusz der Weihnachtsstunde mit aller Schärfe gesagt. Und dann gibt es ja immer unberechenbare Glückszustände und Unglückszustände, die eine Feier retten oder zerstören können. Allein der Termin der Weihnachtsfeier war unglücklich spät gewählt erst am 5 Jan 42. Das lag daran, dasz die musikalische Vorbereitung zuviel Zeit beansprucht hatte. Das mag davon genügen. Die Untergruppe führt jetzt Alfons Geurtz und ich glaube, dasz er das Zeug dazu hat. Er hat vor allem das nötige Mundwerk und

Selbstbewusstsein und auch die Energie, sich durchzusetzen. Nun wollen wir den Tag nicht vor dem Abend loben, aber ich glaube doch, dasz er seine Sache gut machen wird. Sonntag in 8 Tagen hat er mit seinen jungen einen Besuch in Severin vorbereitet. Er selbst ist auf die Idee gekommen und führt die Sache selbständig durch.

Wie schwierig manchmal die Sache werden kann, habe ich letzten Donnerstag gesehen. Ich bin selbst herumgegangen und lud 8 von der Mittelgruppe ein: Hans Werres Abend über die Treue. 2 konnten nicht kommen, weil das Geschäft erst spät schlosz. Einer muszte antreten, 2 kamen nicht trotz ihrer festen Zusage und so blieben 3 übrig die zur Stelle waren. Und auch dieser Abend war ausgezeichnet vorbereitet.

Wie geht es denn mit dem Bordfunker? Willst Du zum fliegenden Personal der Luftwaffe? Dann stürze nur nicht ab und kauf Dir beizeiten einen Fallschirm! Dann muszt Du ja sicher auch morsen lernen und ähnliche schöne Dinge, die Du später vielleicht bei der Eisenbahn gut gebrauchen kannst. Es wir ja auch noch mal Frieden werden. Der Krieg kann ja schlieszlich nicht die Normalexistenz menschlichen Daseins bleiben. Kannst Du denn das Fliegen vertragen? Schreib mal, wenn du zum ersten Mal aufgestiegen bist.

Habe ich Dich schon gefragt, ob Du das Lied von Hermann Löns kennst: In der Lüneburger Heide? Wenn nicht, musz ich Dir den Text mal schicken. Hoffentlich kennt einer die Melodie. Es kommt mir immer in den Sinn, wenn ich mit der Landschaft dort zu tun habe.

Dasz Dir die Weihnachtsfeier in Lüneburg viel bedeutet hat, glaube ich gern. So etwas wird einem in der Umgebung unvergesslich sein.

In steter Treue Dein