Hubert Gülden an Kaplan Stiesch, 27. Juni 1942

Im Osten, 27. 6. 42

Werter Herr Kaplan!

Nun bin ich auch schon 10 Tage hier im Osten und habe einen kleinen Einblick in die Verhältnisse hier bekommen. Schon auf der Fahrt von 9 Tagen hatte ich Gelegenheit durch dauernde Fahrtunterbrechungen die Städte Krakau, Lemberg, Kimo (??) und …..(schwarzer Fleck) näher kennenzulernen. Dabei macht man die Feststellung, dass die Städte immer schmutziger werden, immer verwahrloster aussehen je weiter man nach Osten kommt. Solche Mengen an Schmutz und Ungeziefer, wie man hier vorfindet kann sich einfach ein zivilisierter Europäer nicht vorstellen. Menschen in halbwegs vernünftigen Kleidern sind sehr selten anzutreffen. Das meiste Volk läuft hier in Lumpen gekleidet umher. Das Unverständliche ist jedoch, dass sich die Menschen hier wohl fühlen und zufrieden mit ihrem Los sind. – Die Kirchen im ehemaligen Polen und soweit sie hier in Russland noch erhalten sind, fallen sofort auf durch die grelle Buntheit ihrer Aus-

gestaltung. Wahre Kunstgegenstände, geschweige denn etwas, was unserem Geschmack entspricht gibt es hier nicht. Wo man auch nur hinsieht, da erblickt man Gips, Stuck und Blattgold und die grellslten Farben.

Diese Zeilen schreibe ich auf dem Steuerrad meines Wagens. Wir liegen augenblicklich noch in Ruhe und warten auf den Einsatzbefehl, auf den Beginn der Offensive. Hoffentlich kommt dieser Befehl bald, denn je eher es hier wieder los geht, je eher ist auch hier Schluß und wir alle wollen hoffen, dass noch dieses Jahr wenigstens der Krieg hier im Osten zu Ende geht.

Für heute will ich dann enden mit herzlichem Gruß

Ihr  

Hubert Gülden.