Kaplan Stiesch an Herbert Fröhlich, 13. Juli 1942

Rudolf Stiesch   Köln Bickendorf   Schlehdornweg 1

13. Juli 1942

Sehr geehrter Herr Leutnant Fröhlich!

Für Ihre Zeilen recht herzlichen Dank. Vor allem habe ich mich gefreut, dasz Sie schrieben, Sie wollten im nächsten Urlaub einmal hereinkommen. Der Gedankenaustausch von Mund zu Mund ist ja doch lebendiger als das geschriebene Wort. Seit meinen letzten Zeilen hat sich hier in Köln ja allerhand geändert durch den mächtigen Angriff vom 1 Juni. So langsam gewöhnt man sich an den bestehenden Zustand. Wenn man aber einmal in wesentlich unzerstörte Städte kommt nach Bonn oder Düsseldorf, kommt einem der Kölner Zustand doch immer neu und schmerzlich zum Bewusztsein. Auch eine Stadt in ihrer Gesamtheit hat eine Seele, die verwundet werden kann wie die eines Menschen.

Hier in Bickendorf hat es noch einigermassen gut gegangen, wenn es für die Betroffenen auch schmerzlich genug ist, alles oder vieles verloren zu haben.

Gleich nach den Zerstörungen muszte ich zur Gestapo. Kaplan Küppers vom Akazienweg – Sie werden ihn kennen, er ist jetzt Dolmetsch in Afrika – hatte einige Erlebnisse aus Afrika im Kreise der Pfarrjugend erzählt. Dieses Thema galt als nicht genügend „rein religiös“, und deshalb musz ich nun 600 RM auf ein Konto mit einem Sperrvermerk der Gestapo einzahlen. Einzelheiten werde ich Ihnen – hoffentlich bald einmal – erzählen können.

Pfarrer Vonessen ist nun in Urlaub und Kaplan Fröhlich laboriert mit einer Magenerkrankung in der Schönsteinstrasse herum, so dasz ich augenblicklich allein hier bin.

Dieser Tage besuchte mich Hubert Zingsheim. Er hat lange an Erfrierungen der Zehen herumheilen müssen. Es scheint aber doch wieder ganz gut zu gehen. Von den letzten Gefallenen werden Sie sicher

gehört haben: Franz Ley, dann Rudolf Heinen Stübenrath vom Akazienweg Walter Ingenerf ebenfalls vom Akazienweg und Adolf Höschler Unter Birnen. Die Zahl ist doch schon erschreckend grosz, wenn auch Gott sei Dank längst nicht so grosze Verluste eingetreten sind wie im Weltkrieg. Man kann das deutlich beobachten in konstant gebliebenen Pfarren. Die Kriegergedächtnisaltäre für die Gefallenen des Weltkriegs sind meist dreimal so umfangreich, wie die für diesen Krieg und für die beiden ersten Jahre dieses Krieges ist das Verhältnis noch viel günstiger.

Sie fragen nach meiner Einberufung. Darüber weisz ich auch gar nichts bestimmtes. Eigentlich sollten wir nach unserem Bescheid schon letzten Weihnachten weggekommen sein. Aber es scheint, dasz der Bedarf an Sanitätern doch nicht so sehr grosz ist.

Nun wünsche ich ihnen alles Gute und hoffe, dasz wir uns bald einmal mündlich über manches ausführlicher unterhalten können.

Stets Ihr