Willy Winterscheidt an Kaplan Stiesch und die „Kameraden“, 7. August 1942
Im Felde, den 7. August 42
Liebe Kameraden!
Euren feinen Rundbrief habe ich vor einigen Tagen dankend erhalten. Es ist wirklich etwas feines um die Gemeinschaft junger Kirche. Wenn ich einen solchen Brief lese, dann glaube ich immer mitten unter Euch zu sitzen, so wie ich so oft dort unten im Heim gesessen bin. Schöne Stunden waren es für mich gewesen. Stunden, in denen ich Kraft gefunden habe, das Leben, so wie es mir jetzt entgegentritt zu meistern. Morgen ist für mich ein schwerer Tag. Es heisst Abschied nehmen, von meinem besten Kameraden, den ich hier hatte, dem einzigen, der mir unter den vielen Kameraden wirklich etwas bedeutete. Ich glaubte zuerst, dass ich nun ganz alleine sei. Doch ich habe ja nun meinen Heiland noch. Und
Ihr könnt mir glauben, es ist wirklich etwas schönes, wenn man tagsüber in seiner freien Zeit mal eine Stunde mit seinem Herrgott sprechen kann. Über alles kann man mit ihm sprechen. Über den Krieg und das warum dieses Krieges und über alle sonstigen Fragen, die einem so auf dem Herzen liegen. Und wenn man dann ganz feinhörig ist, dann bekommt man auch auf alle Fragen eine Antwort.
Dieses Bewusstsein, dort oben einen Vater zu haben, der einen nicht vergisst und der auf uns aufpasst, dass gibt uns allen doch sicher ein frohes und stolzes Gefühl. Das hilft einem dann auch immer über die schwersten Stunden hinweg, über jene Stunden, wo man glaubt, dass es überhaupt nicht mehr weiter geht. Als ich vor etwa 2 Monaten die traurige Nachricht vom Tode meiner lieben Mutter erhielt, da glaubte ich auch zuerst, dass es nun nicht mehr weiter ging. Doch als ich mich dann etwas beruhigt hatte, da
habe ich mir mal die Bibel genommen, und habe hier Trost und Kraft gefunden im Glauben, im Worte Gottes. –
Vor etwa einer Woche war ich auf B-stelle meiner Batterie. Die Höhe, auf der wir liegen, ist mit unzähligen Erdbunkern und B-stellen-Löchern besetzt. Die Höhe wurde vom Feinde ausfindig gemacht und da setzte plötzlich der Beschuss ein. Wir sassen in einem Erdloch und links und rechts vor und hinter uns schlugen die Granaten ein. Es waren furchtbare Minuten für mich. Und da habe ich dann ganz still in die Tasche gegriffen und den Rosenkranz her-vorgeholt, und im Gebet habe ich dann wieder die Kraft gefunden auch hier durchzuhalten, ohne Angst zu zeigen. Neben uns schlug eine Granate in einen B-stand, einem Unteroffizier sofort vor die Brust. Man hat nicht mehr viel von ihm gefunden. So könnte ich noch viele Bei-spiele anführen, die Ähnliches zeigen.
Ihr seht daran, es ist etwas schönes und
grosses um unseren Glauben. Darum sage ich Euch: „Seid stolz auf diesen Euren Glauben und bekennt ihn überall, wenn auch andere spotten und lachen. Glaubt mir, von denen, die hier vorne waren, die wirklich vorne waren, von diesen wird niemand mehr lachen. Und die anderen werden auch noch eines besseren belehrt werden. Da fällt mir gerade ein Vers ein:
„Und wenn du sagst, es ist kein Gott,
Dann komm mit mir hinaus.
Und wenn Du dann in Todesnot
In Sturm und Wellenbraus
Noch immer glaubst an Deinen Wahn
Dann sag ich dir, du armer Mann
Und wenn die Sonn nach vorne geht,
Dann bist Du schon bekehrt
Und wenn Du erst im Graben stehst,
Hat dich Gott selbst belehrt.
Für heute Schluss. Heil und Gruss allen Kameraden nebst Herrn Kaplan Stiesch
Euer Willy