Werner Stoffel an Kaplan Stiesch, 7. September 1942

Wuppertal, 7.9.1942

Mein lieber Rudi!

War das eine Ueberraschung, Dich in Begleitung von 2 Damen und mit einem 4 beinigen Stuhl bewaffnet auf dem Kölner Hauptbahnhof zu treffen! Und gestern kam Dein Briefchen an, das mir von der Front nachgeschickt wurde.

Du hast sicher gestaunt, mich jetzt schon wieder in Germania zu treffen. Ja, man hat mich wegen eines Ohrenleidens zum Ersatztruppenteil (Berlin) geschickt. Ich kann auf dem linken Ohr gar nicht mehr hören u. auf dem rechten ziemlich schlecht. Es handelt sich nach dem mehrfachen ärztlichen Urteil um eine kombinierte Innen- und Aussenohrschwerhörigkeit. Ich habe in früheren Jahren oft Mittelohrentzündungen gehabt und auf dem linken Ohr war das Gehör nie prima! Aber richtig doof geworden bin ich erst in den letzten Jahren; besonders jetzt in dem schlimmen Winter in Russland. Die Kälte hat eine besondere Rolle gespielt, auch gelegentliches Artilleriefeuer, aber in der Hauptsache soll es eine Kopfnervensache sein! Eine Besserung ist nicht zu erwarten … soweit das Gutachten von 3 Spezialisten….

Da stehe ich nun mit meinem Latein! Das OKH will mich noch in der Gefängnisseelsorge beschäftigen (wahrscheinlich Berlin oder Torgau/Elbe) und was nach dem Kriege mit mir wird, muss ich mal abwarten. Jedenfalls steht fest, dass mein Gehör für den Beichtstuhl nicht ausreicht.

Wenn ich bei guter Beleuchtung einem Menschen gegenüber sitze, kann ich mich recht gut mit ihm unterhalten und er merkt nichts von meiner Schwerhörigkeit. Aber wehe, wenn es dunkel wird!!

Für heute Dir einen herzlichen Gruss und freundl. Empfehlung an Deine Eltern

Dein

Werner