Kaplan Stiesch an Otto Mundorf, 16. September 1942
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
16. September 1942
Heinz Otto!
Eben erhielt ich Deinen langen Brief und weil ich grade dabei bin und viele Soldatenbriefe beantworte, will ich Dir auch gleich in einem schreiben. Leider habe ich den schönen Brief natürlich noch nirgendwo vorgelesen aber in den nächsten Tagen habe ich dazu viele schöne Gelegenheiten. Und ich hoffe, dasz Dir auch einer oder der andere von den Jungen antworten wird.
Hier in der Pfarre haben wir leider wieder zwei unserer besten Kameraden verloren: Den Harald Breuning und den Rudolf Silckeroth, ich konnte es erst gar nicht glauben, weil ich mir die beiden immer noch so frisch und lebendig vorstelle. Ich erinnere mich genau, wo ich einmal den Rudolf auf dem Fahrrad sah, wie er Sontags abends von einer Fahrt nach Hause kam, wie ich ihn ein andres mal traf als er grade kurz vor der Einberufung zum Militär stand. Und jetzt sind uns diese wieder entrissen. Pater Breuning hat heute morgen selbst die Exequien für seinen Bruder gehalten und der Pfarrer und ich haben ministriert. Sie sollen ruhen in Gottes Frieden. Aber die Lücken, die bleiben in der Pfarre. Überall werden wir später diese lieben und tüchtigen Menschen entbehren, die jetzt ihr Leben eingesetzt haben.
Ich war mal wieder eine Woche krank, bin Gott sei Dank aber wieder auf den Beinen.
Anbei ein Reclamheftchen. Ich erbitte es gelegentlich zurück, damit ich es an andere weiterschicken kann. Die Heftchen sollen so unter den Soldaten zirkulieren. Ich habe es mal vor langer Zeit gelesen. Das Thema ist ja ein wenig peinlich, fast
wie die Ödipussage des Altertumes. Ich habe einen ganzen Stoss solcher Novellen von Reclam bestellt und verschickt. Es sind sehr schöne Sachen darunter vor allen die Peter Dörfler.
Franz Karl Werner tut leider nicht mehr mit, und so sind wir in eine ziemliche Führerkrise hineingeraten. Ich muss unbedingt den Führernachwuchs schulen. Bei den Messdienern ist es gut. Der Josef Werres der Günter Kaussen, der Helmuth Saure und der Heinz Amacher das sind 4 prächtige Kerle, die später auch mal hoffentlich in den grösseren Gruppen führen können.
Ausführlicher schrieben in der letzten Zeit Ferdi Deussen, Willi Winterscheidt Peter Haas und Rudi Conin. Rudi ist ja am Eismeer im hohen Norden. Willi schrieb sehr schön von einem Feldgottesdienst an der vordersten Front. Peter Haas war Sonntag in Urlaub. Er ist jetzt in Giessen. Schade genug, dasz er nicht mehr hier unter uns ist. Überall fehlt er als Vorsänger mit seiner schönen Stimme.
Sonst ist hier wohl nicht viel besonderes passiert. Ich will mal tüchtig die Jungen bearbeiten, dasz sie selbst Euch einmal schreiben. Herzlichen Gruss Dein