Kaplan Stiesch an Willi Krautz, 17. September 1942
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
17. September 1942
Lieber Willi!
Wie geht es Dir denn noch? Ich bin sehr gespannt, von Dir einmal etwas zu hören, aber bis heute ist noch kein Lebenszeichen von Dir eingetroffen! Also schreibe uns mal einen Gruss! Nur hier und da haben wir mal zufällig eine Kleinigkeit gehört von Deinen Eltern. Aber die Jungen der Gruppe wollen doch auch mal gern einen Brief von Dir sehen!
Seit Anfang August ist hier natürlich wieder allerhand an Veränderungen passiert. Franz Karl Werner tut leider nicht mehr mit und so hat seit heute der Hans Dahm seine Gruppe übernommen. Überhaupt wird allmählig immer stärker der Führermangel spürbar. Wir halten jetzt alle 14 Tage Diakonatsabend und so werden wir hoffentlich neue Jungführer heranbilden. Ich dachte schon mal an den Werner Wulf, den Josef Zingsheim und die Messdienerführer Josef Werres, Helmuth Saure, Günter Kaussen, Heinz Ambacher.
Das ergäbe ja schon einen ganz tüchtigen Diakonatskreis. In der Obergruppe haben wir mehrer Abende dem Leben des hl Paulus gewidmet und ich habe mich über das Interesse der Jungen gefreut. Man muss ja auch staunen über dieses Leben, das ja etwas von dem Wagnis einer Odyssee an sich hat. Dann sprachen wir über die Geschichte des Ordenswesens, der Klöster und Mönche angefangen von den Einsiedlern über die Ritter und Bettelorden bis zu den neuen Orden unserer Zeit.
Dann einen Abend über grosse Konvertitengestalten, dh Menschen die von anderen Überzeugungen zum katholischen Glauben gelangt sind.
Unzufrieden bin ich mit dem Singen. Es ist kein Mensch da, der ordentlich Klampfe spielen und singen kann. Wir haben das neue Lied von Franz Ley gelernt: Der Schlachtenlenker ist der Herr. Die Melodie ist von Karl Heinz Hodes. Als wir es in der Kirche Sonntag gesungen haben, war es aber noch nicht überzeugend, die Kerle machen ja den Mund nicht auf.
Leider sind wieder zwei unserer besten gefallen: Harald Breuning und Rudolf Silckeroth. Gestern waren für den ersten die Exequien, die sein Bruder der Pater gehalten hat. So wird uns einer nach dem andern von den besten entrissen und die Lücken werden einmal sehr sichtbar sein. Wir haben ja gewaltige Aufgaben vor uns in der Kirche in Deutschland. Sie sollen ruhen in Gottes hl Frieden.
Dass Hans Eiermann und Peter Pehl verwundet sind, hast Du doch sicher schon gehört? Und Hans Meiers liegt noch immer im Krankenhaus. Einen schönen Brief habe ich von Rudi Conin bekommen. Er ist am Eismeer und erzählte von den Seen, den Bergen, den Wäldern und den Fjorden im hohen Norden. Finnland Du mein Heimatland, dieser Wunsch ist ihm nun in Erfüllung gegangen.
Warst Du schon mal am Hermannsdenkmal? Voriges Jahr war ich auch mal dort in der Nähe in Paderborn. Dort wohnt eine entfernte Verwandte von uns: Frau Bröckling Paderborn Wigbertstr. 11.
Falls Du mal hinkommen solltest, wirst Du da sicher eine gute Tasse Kaffee bekommen, wenn Du von mir einen Grusz bestellst. Und an den Externsteinen sind wir auch mal gewesen. Musst Du auch sehen diese Zeugen einer uralten christlichen und heidnischen Vergangenheit. Also nun wünsche ich Dir alles Gute! Gefällt es Dir so, dasz Du lange Jahre dabei bleiben möchtest? Schreib mal
Herzlichen Gruss Dein