Jochen Soddemann an Rudolf Stiesch, 10. November 1942
Holland, am 10. November 42.
Rudolf!
Aus einem Lehrgang, der mich mit einigen Kameraden mal wieder eine Reihe Tage von der Kompanie wegführt, einen herzlichen Gruß und recht frohen Dank für Deinen Brief.
Kurz darauf kam ein Brief von einem der Jungen, der mich wirklich riesig gefreut hat. Hoffentlich ist damit ein neues Band geknüpft, ich möchte so gerne ständige Verbindung mit den Kerlen behalten. …… Kaussen, ich kenne den Jungen gar nicht. Ist das der Kaussen, von dem Du schreibst, es muß doch einer von den jüngeren sein. Jedenfalls hat mir sein kurzer, so echter Brief viel Freude gemacht. Immer noch hoffe ich, vor Weihnachten Euch selbst Daheim meinen Gruß sagen zu dürfen. Der Lehrgang hat den Urlaub wieder um einige Tage verschoben. –
Die Arbeit scheint jetzt mit Beginn des Winters wieder mächtig vorzuziehen. Eure Pläne sind recht fein, hoffentlich finden sie auch einigermaßen Verwirklichung.
Deine Heftchen habe ich noch nicht lesen können. Werde sie aber in den Abendstunden des Lehrgangs jetzt verdauen. –
Zu unserem Schriftkreis hat sich ein junger Protestant, ein feiner Kerl, gefunden. So kommt neues Leben in die Arbeit und sie wird, so glaube ich, reiche Frucht für uns tragen. Schon in den ersten beiden
Runden sind wir auf so manche Fragen, die zwischen uns stehen, gestoßen. Fein ist die Offenheit voreinander, es fehlt jedes Bekehrenwollen des Anderen. „Die Wahrheit wird euch frei machen“. Es ist, ob alles so sein sollte. Zu gleicher Zeit erhalte ich aus der Buchhandlung von Hans Werres den Lortz: „Geschichte der Reformation in Deutschland“. Von Dienstag bis Samstag hatte ich schon 300 Seiten durchgeackert, so hat das Werk mich interessiert und gepackt. So gehen die Tage dahin. Je sinnloser der Dienst wird – im Augenblick reine Beschäftigungstheorie – umso mehr nütze ich die Zeit zu eigener Arbeit und habe auch schon mächtig etwas schaffen können.
Doch nun genug.
Einen frohen Abendgruß
Dein Jochen