Kaplan Stiesch an Josef Kreuser, 16. Mai 1943

Rudolf Stiesch   Köln Bickendorf   Schlehdornweg 1

16. Mai 1943

Lieber Josef!

Zunächst zwei erschütternde Nachrichten aus der Pfarre. Wieder haben zwei aus unsern engsten Reihen ihr Leben hingegeben: Werner Niederwipper und Willi Krautz. Wir wollen ihrer in Gebet und Opfer dankbar gedenken. Freitag sind für Willi die Exequien. Er ist wohl einer der jüngsten Gefallenen der Pfarre überhaupt. Zur Zeit ist Jochen Soddemann in Urlaub und ich wollte ihm den Auftrag geben, eine würdige Gedenkstunde der Jungen der Pfarre vorzubereiten. Gleich wird er wohl zur Besprechung kommen. In Urlaub ist ferner Willi Winterscheidt, der es zum Leutnant gebracht hat, Hans Eiermann kommt häufiger von Vallendar bei Koblenz herüber. Seine Schwester Marianne hat grade geheiratet. Josef Bongartz ist hier in Köln beim Wehrmeldeamt, Peter Pehl ist wieder im Osten. Rudi Conin wollte in Urlaub kommen, leider ist nichts draus geworden weil er einen Kursus mitmachen muss. Ernst Jakobs war heute in Urlaub. Gesprochen habe ich ihn noch nicht. Familie Leupold der Bäcker ist nach Unkel verzogen. Sie schickten von dort noch einen Grusz. Heinz ist ja auch im Osten. Karl Heinz Hodes ist immer noch in Behandlung im Hildegardiskrankenhaus. Er wird hoffentlich noch lange bleiben. In Bruder Konrad tut er Dienst. Donnerstag abend wollen wir mit den Jungfrauen abwechselnd die deutsche Komplet singen. Er wird spielen. Nächsten Sonntag soll in den einzelnen Pfarre[n] die Weihe an die Gottesmutter erneuert werden. Letzten Sonntag war sie im Dom für die Diözese. Der neue Erzbischof selbst hielt die Predigt.

Der Dom war mal wieder pickepackevoll. Schon um 3 gabs keinen Sitzplatz mehr, trotzdem erst um 5 die Feier anfing. Herr Engelskirchen sagte nachher ganz trocken, dass es so voll gewesen sei, habe daran gelegen, dass die Leute so viel Fett ässen. Wenn sie weniger Fett ässen, wäre der Dom auch nicht so voll.

Kannst du Dich denn mit der italienischen Familie gut verständigen? Können die Deutsch? Das wäre ja schön. Und Du lernst sicher doch etwas italienisch dabei. Hast Du einen Sprachführer?

Letzten Mittwoch war ich in der Musikhochschule. Ein Leipziger Pianist namens Rudolf Fischer spielte Beethovensonaten: Pathetique, Fantasie, Mon[d]schein, Waldstein und Appassionata. Natürlich wie immer ein grosses Erlebnis und bei mir der Seufzer, könnte man doch nur halb so gut spielen wie diese Kerle es alle können.

Hoffentlich erträgst Du seelisch die Passion, die Eure Familie augenblicklich durchmachen muss. Ich kann es nachfühlen, weil ich auch ähnliche Situationen durchmachen musste. Beten wir füreinander, dass das ein gutes Ende nehme!

Nun sei in Herzlichkeit gegrüsst von Deinem