Hans Friesenhahn an Familie Stiesch, 26. Oktober 1943
Radom, den 26.10.43
Meine Lieben!
Nun wird es ja endlich an der Zeit, daß ich Euch auch einmal schreibe. Wie Ihr gewiss von meinen Eltern bereits gehört habt, bin ich wie durch eine ganze Kette von Wundern durch die Hand Gottes aus allem Todesgrauen errettet worden. Mehr als einmal hatte ich mich schon ganz aufgegeben. Es war alles so furchtbar, daß ich es nie werde erzählen oder schreiben können. –
Nach langen Irrfahrten mit allen möglichen Lazarettzügen bin ich nun glücklich im Generalgouvernement gelandet. Ich sollte zunächst in ein Heimatlazarett; aber ich habe dafür gesorgt, daß ich hier blieb. Denn hier weiß ich, daß ich es gut habe; wie ich es aber anderswo antreffen werde, weiß ich nicht. –
Köln möchte ich am liebsten gar nicht mehr wiedersehen. Es muß zu grausig aussehen in meiner Heimatstadt.
Nur Eure Ecke scheint ja einigermaßen verschont geblieben zu sein. Aber Ihr werdet auch so genug mitgemacht haben an Angst u. Schrecken. –
Wo ist jetzt eigentlich Hans? Ich vermute ihn an einem Hauptverbandsplatz oder in einem Feldlazarett. Da läßt es sich aushalten. Auch wenn noch so viel Arbeit ist, immer besser als vorne. Wer nicht vorne war, weiß nicht, was Krieg ist, u. redet davon. Wer vorn war, weiß es, u. redet nichts! –
Gewiß, es gab auch ruhige Tage, ja Wochen an der Front im Graben. Aber das entscheidet ja nicht. Mit den beiden großen Schlachten, die ich mitgemacht habe, hatte ich die Nase voll! –
Wir hoffen ja alle, daß bald ein Ende kommt. Der Wahnsinn führt sich selbst ad absurdum! –
Hoffentlich habt Ihr jetzt wenigstens Ruhe vor den Fliegern. –
Mit herzl. Grüßen
Euer Hans