Jochen Soddemann an Rudolf Stiesch, 7. März 1944
Am 7. März 1944.
Grüß Gott, Rudolf!
Seit etwa 14 Tagen habe ich nichts mehr von Helmut gehört. Er sprach damals davon, daß er im März auf die neue Schule käme. Dann erwächst uns in dem Kerl auch eine neue, schwere Aufgabe, denn ich glaube schon daß die heutige Lehrerbildungsanstalt für einen jungen Christen eine harte Probe ist.
Vielleicht ist Helmut auch ein wenig eingeschnappt. Ich habe ihm den Kopf gewaschen: Im Urlaub schon erfuhr ich von der Zusammenarbeit mit den Mädchen manche spöttische Bemerkung von Jungen und Mädchen, die nichts genaues davon wussten. Da wurde ich stutzig. Ich weiß heute genau und ich glaube, wir sind uns da einig, daß alles daran an sich in Ordnung war.
Doch die Sache hatte eine doppelte Gefahr: Zum ersten die bösen Jungen, zum zweiten verliert Helmut damit viel Vertrauen bei seinen Kerlen. Außerdem besteht bei solchen Freundschaften für beide Teile immer eine Gefahr. Es gibt auch eine gesunde Bewahrung.
All das setzte ich Helmut auseinander. Nun schreibt mir Peter H. vor etwa 14 Tagen, daß Du Helmut das gleiche gesagt. Das zeigte mir –
denn wir beide haben doch darüber gar nicht gesprochen – daß ich schon im Urlaub die Sache richtig gesehen hatte.
Peter schrieb, H. wolle mit den Mädeln darüber sprechen. Da habe ich aber dazwischengefahren. Ich habe H. aufgefordert, Deine Bitte und zugleich auch die meine als einen Befehl aufzufassen. Ich glaube schon, daß er das versteht, wenn’s ihm auch schwer wird. Dich aber bitte ich um der Sache willen dies unbedingt durchzusetzen: Zusammenarbeit nur über Dich oder Kapl. Fröhlich. H. ist ein Kerl, der selbst auch ab und zu einmal fest angefasst werden muss. Eben darum, weil er selbst gern ein „kleiner Tyrann“ ist. –
Doch da hätte ich darüber bald meinen Dank für Deinen lb. Brief vergessen. Hab Dank und nimm vor allem meinen Wunsch, daß Du in der nächsten Zeit gesund und munter bleibst.
Hat der „Kilometerstein“ Dich erreicht? Ich weiß gar nicht mehr genau, ob ich ihn Dir oder H. geschickt habe. Demnächst schicke ich Dir von P. Dörfler: „Der Roßbub“. Ich möchte’s nur selbst gerne noch lesen.
In den nächsten Tagen bekomme ich den Rundbrief.
Ich weiß gar nicht, ob ich Dir erzählt habe, daß wir – zuerst Werner V., Johannes und ich, eine Schriftlesung begonnen haben. Wir lesen miteinander Eph. und sind jetzt – ich habe bisher 9 Briefe dazu geschrieben – beim 3. Kapitel. Könntest Du uns mit den nötigen Unterlagen, ich denke auch an „Paulus“ v. Holzner, eine Einleitung zusammenstellen? Das wäre fein.
Von Günter habe ich auf meinen Brief noch nichts gehört.
Eine Fülle von Gedanken – ich freue mich auf Deine Antwort
Herzlichen Gruß Jochen.