Karl-Heinz Kranz an Bruder Gisbert, 8. November 1942

Herford, den 8.XI.42.

Lieber Gisbert!

Ich danke Dir recht herzlich für Deine beiden Briefe und das Büchlein, das ich gestern abend noch gelesen habe. Es ist gut.

Was Du mir auf meine Frage schriebst, fand ich richtig, und ich habe es auch so gehalten. Oft findet man Gelegenheit für ein kurzes Gebet; man muß nur diese ausnützen. So habe ich z. B. schon mal ein Gesetz des Rosenkranzes (besser gesagt: einen Altenberger Rosenkranz) beim Warten gebetet.

Es freut mich, daß Du mir den Reibert besorgst. Dann brauch eich wenigstens nicht den Unterricht stichwortartig mitzuschreiben und nachher einzutragen.

Heute ist ein Teil der Kompanie allein ausgegangen. Gestern hat der Chef den Gruß abgenommen und bestimmt, wer Ausgang bekommt. Ich hatte Pech, aber es ist nicht schlimm, denn ich habe den Nachmittag mit schreiben verbracht. Nächsten Sonntag werde ich auch nicht ausgehen können, da ich dann Alarmkommando habe.

Freunde oder Gleichgesinnte habe ich hier nicht gefunden. Mit meinen Stubenkameraden komme ich gut aus, doch zu einer engen Kameradschaft mit einem ist es noch nicht gekommen. Das wird auch erst langsam wachsen müssen. – Die Wehrmachtsseelsorge habe ich hier noch nicht besonders feststellen können. Außer der religiösen Einführung vor der Vereidigung und dem Gottesdienst am Christkönigsfest haben wir noch nichts davon gemerkt. Übrigens wurden die kleinen Feldgesangbücher in der Kirche verteilt. -

Ich habe hier im Laufe der Woche keine freie Stunde, es sei denn, daß ich mit Putzen, Flicken, Reinigen usw. fertig bin.

Und das kommt selten vor. Man will ja auch nicht ewig auffallen; also heißt es wienern!

Am letzten Montag schossen wir zum ersten Mal mit dem Karabiner und L.M.G. scharf. Freitag machten wir unseren ersten Marsch (15 km). Es regnete in einer Tour, und kein Faden blieb trocken. Mein Anzug ist jetzt erst ungefähr trocken. – Wenn wir aus dem Gelände heimkommen, sehen wir aus wie Soldaten, die noch vor ein paar Minuten in Frontstellung saßen.

Du wünschst die Anschriften von Franzjosef Rhode und Herbert Redder:

Fj. R., Grendbach 12
H. R., Laurentiusweg 160.

Beide sind jetzt in vormilitärischer Ausbildung. Die Anschrift lautet:

Wehrertüchtigungslager II, Oedt, Kreis Kempen-Krefeld.

Soviel ich weiß, soll das Lager bis zum 20.XI. dauern.

Von der Vereidigung kann ich Dir nicht viel berichten. Auf dem Kasernenhof waren die Rekruten in Hufeisenform angetreten. Ein Musikzug war zur Stelle. Einige Geschütze waren an der offenen Seite dekoriert. Der Regimentskommandeur, Oberstleutnant Weiß, schwang eine gute Rede. Dann wurde der Schwur gesprochen, und der Oberstleutnant schritt die Front ab. Die Sache dauerte etwa eine Stunde.

Nun sende ich Dir frohen Gruß,

Dein Karl Heinz