Erwin Graf an Willi Büse, 15. Mai 1941

Brandenburg/Havel. d. 15/5. 1941

Mein lieber Willy!

Ich kann es nicht länger aushalten, ohne Dir geschrieben zu haben. Am Sonnabend war ich wieder einmal in Urlaub. Ich war ganz überrascht und auch ganz erfreut, eine Kameradin aus Eurer Gemeinschaft bei mir zu Hause begrüßen zu können. Du hast ja inzwischen auch unsere Karte bekommen. Auch Erich war am Sonntag bei uns. Wir waren am Sonntag fünf Mann hoch aus der alten Gemeinschaft beisammen. Wir sangen zur Klampfe unsere alten Lieder. Es waren wieder einmal sehr schöne Stunden die ich im Kameradenkreis verleben konnte. Ich bedauere es, dass wir alle auseinander gerissen sind. Bei uns gibts so gut wie gar keine Gemeinschaftsarbeit mehr. Ich war direkt neidisch, als Erich und Irmgard von Eurer Arbeit in Essen berichteten. Bei Euch kann man wirklich sagen Jugendreich der Kirche. Es kann kommen was wolle, ihr werdet ja doch nur noch fester zusammen geschweisst. Bei uns geht jeder seinen eigenen Weg. Es ist sehr, sehr trostlos bei uns. Die Stunden in der Gemeinschaft zu Hause von Erich und Irmgard geben mir wieder neuen Halt, da ich weiß, dass ich nicht allein stehe. Irmgard gefiel mir besonders gut. So frisch und lebendig und froh. Ich spürte gleich, dass sie zu uns gehört. Sie kam mir gar nicht vor wie eine Fremde, die ich zum ersten Mal gesehen habe. Da konnte man wieder froh sein. Aber umso schwerer fiel mir der Abschied als ich allein in der Bahn nach Brandenburg fuhr. Sonst gehts mir aber Danke.

Ja, mein lieber Willy, ich bin jetzt schon über ein viertel Jahr Soldat. Jetzt bin ich zum Regiments-Stab kommandiert.

Ich soll jetzt wegkommen. Bei einer Feld-Eisenbahn-Maschinen-??? als Schreiber. Es gefällt mir ja nicht, dass(?) Schriebstubenleben. Aber was soll man machen als g.v.F. Mann. Ich möchte ja lieber raus nach vorn an die Front. So lebt man als junger Springer hinter der Front irgendwo herum. Ich habe jetzt so einen richtigen Drückposten Mein Arm und Ohr lassen eine Verwendung als kv. nicht zu. Mein Ohr ist immer noch nicht wieder ganz in Ordnung. Na man muss es nehmen wie es kommt. Wenn nur alles ein baldiges siegreiches Ende haben würde.

Wie geht es nun eigentlich Dir? Du hast eigentlich lange nicht mehr geschrieben. Ich hoffe, dass bei Dir alles noch gesund ist. Bei Gelegenheit kannst Du mir ja mal schreiben.

Sein nun recht herzlich gegrüßt.

Heil

Dein Erwin