Irmgard Vogt an Willi Büse, 2. Mai 1943
Bad Nauheim, am Weißensonntag 43
Lieber Dotz!
"Es hat eine so gute Art Freude zu bereiten". Das schrieb Anni aus Köln; das darf ich auch ruhig ausplaudern, denn ich stoße mit in das gleiche Horn! Nimm also vielen Dank für Brief, Bilder und Ostergrüße. Daß ich nun die Verbundenheit mit den Unseren wußte, gab so viel Licht in den österlichen Tagen. Auch aus Wien kamen osterfrohe Grüße von der Irene! (Ich weiß nicht, on ich Dir das Mädchen schon im Bilde vorgestellt habe? - Die Sommerbegegnung aus einer jungen Gemeinschaft eines Vorortes.)
Seid Ihr beim Haus gewesen? Beinahe glaube ich nach Deinem Brief, daß Ihr Steele nicht verlassen habt. - War auch Hilde nicht in Laach! - Ja, ja, - wir werden alle bescheiden - und das ist auch eine Tugend!
In großer Sorge bin ich wieder um Euch,
seit das OKW in der Nacht zum 1. Mai einen Angriff auf Essen durchgab. - Ich warte brennend auf Post von zu Hause!
'Herr bleibe bei uns, denn es will Abend werden...'
Emmauswandern ist immer wieder unser Los! Diese Bitte ist uns heute näher als jemals. Sie soll sich immer wieder wie ein österlicher Bogen über die Zeit spannen!
14 Tage Kur liegen hinter mir. - Ich lebe ganz genau verordnete Tage. Ehe ich morgens zum Fühstück komme, habe ich schon allerlei Gänge u. Prozeduren hinter mir: Gurgelkur Karlsblumen, Trinkkur mit Ludwigsbrunnen, Thermal- od. Thermalsprudelbäder, eine Traubensaftkur u. an den badefreien Tagen elektr. Strahlenbahendlung.
Ich bin ganz brav u. halte mich strikt an die Kurverordnung des Arztes!!
(Ich werde auch streng dabei 'überwacht'!) 5 Stunden Bettruhe am Tage! Erst meinte ich, wann ich da nachts noch schlafen solle, aber tatsächlich habe ich nun seit langem die ersten guten Schlafstunden. Wollen hoffen, daß die Kur gut anschlägt! - Sonst bin ich froh, wenn ich Neuheim wieder verlassen darf. Das ist ein so hohles, unfreies Leben in einem Badeort, soviel Blähertum in den Hotels! Um sich nicht dauernd wund zu ecken, geht man auf die Art ein, lebt mit den Leuten, wie sie es wollen, und geht im Grunde doch seinen Weg. Wie beim Staffettenlauf: man kann nur den Stab auffangen u. mit ihm dann den eigenen Weg machen, wenn man ganz die Haltung des Anderen annimmt, den Schwung abfängt, und dann erst eigene Richtung einschlägt. Nur so können Dinge abgebogen werden. Im direkten entgegengesetzten Lauf, würde man nie etwas erreichen, das habe ich nun schon zu oft erfahren!
Daß die Welt ein Dorf ist, habe ich auch hier wieder erfahren. Bei einem (trotz Verbotes!) ausgedehnten Gang in die Umgebung ruft mich ein Herr mit Namen an. Es war einer
aus Suwalki, ein Luftwaffeningenieur, dessen Töchterlein die beste in meiner Klasse war. Ist das nicht gediegen? Der Herr ist schon 3 Wochen zu einer Kur hier u. bemüht sich nun eifrig, mir Freude zu bereiten. In den wenigen 'freien' Stunden fahren wir dann durch den nahen Wald in ein Blütenmeer von Obstbäumen. Wir fahren, da wir beide das Verbot haben, weitere Wege zu machen. Seine Frau ist übrigens Essenerin, ehem. Kunstschülern, eine Meisterin der Graphik. Er selbst wandelndes Botanik u. Zoologiewörterbuch, von dem ich manches lernen kann. Wirklich eine unerwartete Begegnung hier. In Südauen haben wir uns nur flüchtig gekannt.
Da fällt mir gerade die Wurst[?] ein. Das rechte Nehmenkönnen gehört auch zu den Tugenden. Gerade wenn's schwer fällt. (Schiller hat uns da ein herrliches Beispiel gegeben; auch in kleinen Dingen!) Wie oft müssen wir, - sagen wir: dürfen wir - ???ben die Nehmenden sein! - Ich denke, ich brauche da kein Wort mehr zu sagen. Sonst wird ja auch das Freudebereiten wieder leicht verdunkelt! - entschuldige nur, daß ich vergaß, Dir selbst davon zu sagen.
Das Filmpäckchen hat 3 Filme, z.T. schon sehr alten Datums, die auf entwickeln warten. (Die Wurst wartet aber auch!) Recht viele Dankesgrüße Dir von
Irmgard
Frau Kammerer läßt herzl. grüßen u. für alles Gedenken danken! Sie hat so wenig Zeit!
Schön, daß Du mir den Lichttag mitteiltest. Erich hatte bisher noch nicht geschrieben. So sind wir dann am 9. im Gebet vereint.