Willi Wessendorf an Gisbert Kranz, 2. Februar 1940

Essen-Huttrop, den 2. Februar 1940.

Gruß Dir im Herrn, lieber Gisbert!

Nun habe auch ich die schriftliche Prüfung glücklich hinter mir. Das Mündliche steigt am 28. Februar. Es sollte zunächst zwischen dem 5.-12. stattfinden, aber laut ministeriellen ... (das übrige kannst Du Dir ja denken). Unsere Aufsatzthemen waren 1) die Stellung zur Großstadt in Rainer Maria Rilkes „Die großen Städte” und in Brögers „Der steinerne Psalm” ist zu vergleichen. Welche Meinung sagt Ihnen mehr zu? 2) Gehorsam, Pflichttreue, Opferbereitschaft, die Grundtugenden wahren Soldatentums. Wie kann die Jugend sie schon üben? 3) Sichere Urteilskraft ist ein Zeichen wahrer Bildung. Erläutern Sie diesen Satz und nehmen Sie Stellung dazu. Dies Thema habe ich genommen. Aber es war nicht so leicht, wie das wohl scheinen möchte. Das erste Thema war das Dankbarste. Im ganzen ist Steinbrink mit unsern Aufsätzen nicht sehr zufrieden. Der größte Teil sei reichlich kurz und viel Phrasen. Ich bin ja gespannt! Auch bei der erdkundlichen Arbeit waren alle drei Themen zur Wahl gestellt. Ich habe als einziger das folgende gewählt: Die deutschen Bodenschätze und ihre Lagerstätten. Die andern beiden hießen: Die Kulturarbeit an deutschen Flüssen, Talsperren und Kanälen und das Dritte: Der Staats-

raum des deutschen Reiches nach dem Weltkrieg und nach der Machtübernahme. Am Montag (5.2.) ist unsere Turnprüfung. Sonst ist in der Penne alles beim Alten. Willi Scholten ist seit einer Woche krank. Er hat einen Nervenzusammenbruch erlitten. Es ist das alte Leiden, weswegen er schon im I. Tertial aussetzte. Unsere Stunden müssen wir in einem kleineren Kreis abhalten. Günther Gehlmann ist nicht mehr regelmäßig dabei. Aber darüber wird Karl-Heinz schon genügend berichtet haben. Im übrigen stellen wir unsere Arbeit auf die Pfarren um. In St. Bonifatius haben wir drei neue Gruppen gegründet und die Arbeit in großem Stile ungefaßt. Nach Ostern wird sich eine Stundenarbeit ja doch nicht mehr lohnen. Jedenfalls ist die weitere Arbeit gesichert. Denn auch in Steele wird wieder die Jugendarbeit in Schwung gebracht. - Was ich nun nach Ostern mache, weiß ich noch nicht bestimmt. In alter Treue grüßt Dich Dein
Willi.

Ich schreibe Dir noch Albert Sts. Adresse, vielleicht kannst Du ihm mal schreiben, wenn Du Zeit hast. Schütze Albert Stracke, Inf. Panz. Abw. Ers. Komp. Graudenz, Lindenstraße 50.

Frohen Gruß, Gisbert, von
Werner
Hans Wienands.
Karl Heinz