Familie Diederich an Sohn Kurt, 22. Mai 1943

Müngersdorf d. 22.5.43

Lieber Kurt!

Heute haben wir von Dir wieder einen Brief bekommen. Es freut mich, daß Du nun auch von uns Post bekommen hast. Das war ja schön, daß Ihr in Kreibitz eingekauft habt, dann gibt es da ja mehr als hier. Mit der Zahnpasta das ist ja fein und wenn Du so viel kaufst hast du wohl bald kein Geld mehr, aber dann schicke ich Dir wieder was. Ich bin sehr froh, daß es Dir gefällt, das ist meine größte Freude, dann brauche ich mir also keine Sorge um meinen großen Jungen zu machen. Im Atlas habe ich auch Rokitnitz gefunden es liegt ja

wunderbar im Adlergebirge, da muß es wohl sehr schön sein. Wir werden Dich wohl kaum wiedererkennen wenn du mal wiederkommst. Gisela kann auch Helga sagen und wenn sie abends schlafen geht faltet sie die Händchen zum Beten. Wenn Du sie wiedersiehst kann sie bestimmt alles sagen. Gestern habe ich Dir auch ein Päckchen mit Bonbons geschickt. Sei aber schön sparsam. Wenn du eine neue Adresse schickst bekommst du auch Plätzchen.

[auf dem Kopf:] viele gruß Hans und Mutter

Morgen, Sonntag, kommt Papa wieder und am 1. Juni muß er dann wieder fort zur Polizei.

Wie klappt es denn mit der Schule geht es gut vorwärts mit dem lernen. Nur immer schön aufpassen. Wir sind sehr auf das Zeugnis gespannt. Herbert muß jetzt immer einkaufen, er ist ja jetzt der größte und muß es lernen nur bringt er oft das Falsche anstatt Salat - Spinat. Dein Fahrrad hängt im Keller und ist traurig daß es nicht mehr an die frische Luft kommt.

Wo Papa ist, im Sauerland da wurde vor einigen Nächten von Fliegern eine Sperrmauer von einer Talsperre (Möhne-Talsperre) getroffen, da ist das ganze Wasser in die Täler gestürzt und hat alles mitgerissen. Einige tausend Tote sind dabei geblieben und das Wasser ist bis nach Dortmund gelaufen. Es war eine furchtbare Katastrophe und die armen Menschen sind auf die Dächer geflüchtet, aber das Wasser hat sie doch gepackt. Du kennst da so eine Sperrmauer wie in Höfrat nur daß da in dem Tal keine Häuser sind.

So lieber Kurt nun muß ich schließen. Sei schön brav und laß Dich grüßen von Mutter, Herbert und Gisela.