Christa Lehmacher an ihren Bruder Robert Weichelt, 7. Februar 1940
Köln, den 7.II.1940
Lieber Bruder!
Deinen Brief habe ich nun gestern Abend erhalten. Vielen Dank. Ich muß Dir nun sagen, daß Günther in den nächsten Tagen eingezogen wird. Er mußte vorigen Donnerstag zum Wehrbezirkskommando. Dort wurde ihm gesagt, daß er schon längt eingezogen wäre, wenn seine Adresse bekannt gewesen wäre. Die neuen Adressenangaben sind von der zuständigen Stelle verkehrt weiter gegeben worden. – Soll er sich nun trotzdem bewerben? Genaues, wann, wie und wo, weiß man ja noch nicht! Gib mir doch möglichst schnell Bescheid, was Du davon hältst! –
Für die Wolle herzlichen Dank. Da werde ich ihr etwas Nettes draus machen. Sie liegt jetzt hier neben mir in ihrem Körbchen und kräht aus vollen Halse. Sie hat jetzt herausgefunden, daß es einen ganz hohen Ton gibt. Den probiert sie nun genau aus und horcht hinterher, ob er auch richtig war. Dazu schlägt sie mit beiden Händchen auf die Bettdecke. Wenn ich zu ihr hingucke, lacht sie mich an. Jetzt lacht sie auch schon laut und herzhaft. Sie sitzt allein und fängt an, sich von selber aufzurichten. Wir haben sehr viel Freude an unsrem Kind. Das Paket aus der Ostmark ist noch nicht angekommen. Die Fotos habe ich gestern abgeholt. Sie sind zum Teil goldig geworden. Ich lasse sofort noch Abzüge machen, die ich Dir dann postwendend schicken werde.
Was macht Dein kleiner Has? Gestern bekam Mutter einen Brief von ihr. Er war wieder goldig. Da freut sich aber jemand, denn Ostern ist! Ich glaube, sie hat einen Kalender, auf dem sie jeden Tag durchstreicht und die noch kommenden sehnsüchtig zählt. Wenn Du es nur irgendwie machen kannst, so fahre nur ja nach Graz, denn sonst würdest Du sie jämmerlich enttäuschen! – Wie ist die Angelegenheit mit Käthe verlaufen? Bist Du auch vernünftig gewesen? Käthe war hier so zuversichtlich, daß man ihr aber auch gar nichts anmerkt! Wenn die nur nichts im Schilde führt! In der Beziehung habe ich Angst um Dich. Denn das wäre jammerschade! –
Ich hoffe, daß wir ja nun bald aus Köln rauskommen. Ach, ich wäre ja so froh, wenn Günther eine andere und bessere Stellung bekäme. Denn manchmal ist das Leben doch sehr schwer. Besonders augenblicklich, wo alles so wahnsinnig teuer ist. Ich brauche ja auch fürs Kind so enorm viel Geld. Ach, da fällt mir was ein! Guck doch mal, ob Du Apfelsinen bekommen kannst, ja! Dann schick mir doch bitte welche fürs Kind. Ich bekomme keine oder nur ganz selten!
Ich glaube, wir schreiben doch mal nach Berlin. Vielleicht geht unser Glücksstern auch mal wieder auf.
Für heute alles Gute und viele Grüß von uns dreien
Christa, Günther, Uta