Robert Weichelt an seine Schwester Christa Lehmacher, 12. September 1939

Robert Weichelt
Ingenieur

Bad Vöslau, den 12.9.1939
Kammgarnfabrik

Liebe Schwester!

Ich habe nun die ganze vorige Woche auf ein Telegram, bezw. Auf einen Eilbrief von Dir gewartet. Aber leider vergebens. Von Irmgard habe ich ja einen Brief in Deinem Namen erhalten und nach diesem zu urteilen müsste ich schon heute das Vergnügen haben, mich Onkel nennen zu dürfen! Also, ich erwarte von Dir gleich nach Erhalten dieses Schreibens einen ausführlichen Brief, den Du ja Irmgard, Mutter oder sonst einem Deiner müßigen Besuchern diktieren kannst.

Nach der Aufzeichnung der Wohnung musst Du ja sehr schön wohnen. Wie teuer ist diese Wohnung? Kann Mutter nicht eventuell dort eine zweite Wohnung beziehen, wenn ihr diese so gut gefällt?

Die Namen die Du ausgesucht hast gefallen mir sehr gut, wie bist Du auf diese gekommen?

Von mir kann ich Dir im Augenblick nur sehr wenig berichten. Ich habe hier eine Unmasse von Arbeit und arbeite daher jeden Tag von 8 – 18 bzw. 19 Uhr und anschließend muss ich zu Hause noch Zeitschriften studieren und auch noch meine eigenen Sachen in Ordnung bringen. Vom Krieg merkt man hier zur Zeit nur sehr wenig. Es fehlen hier wohl eine Anzahl von Männer und die diesige Fabrik muss ihren bisherigen Arbeiterbestand auf 1/3 einschränken. Sonst aber ist hier alles in einer Seelenruhe, wie sie eben nur der Ostmärker kennt. Mit der Kriegserklärung hat aber auch die Bevorzugung der Ostmark aufgehört. Es sind jetzt auch Lebensmittelkarten hier eingeführt und damit fällt der traditionelle Wiener Kaffee mit Schlag ins Wasser.

Du möchtest nun wissen, wann ich eingezogen werde. Nun das kann jeden Tag kommen, sobald ich meine derzeitige Arbeit hier beendet habe. Ich rechne so in 14 Tagen damit oder bei einer Mobilmachung. Zur Zeit aber heißt es nun für mich hier baldigst mit meiner Arbeit abzuschließen.

So,, da hast Du nun von mir das Neueste und hoffe nun, dass ich zur Entschädigung ein Telegram oder Eilbrief erhalten werde,

denn dieser Brief ist von mir im Schweiße meines Angesichtes geschrieben worden.

Sollten sich aber Telegram bezw. Eilbrief und mein Brief überschneiden, so bitte ich höflichst um Entschuldigung und werde dann umgekehrt meinerseits zum Telegram oder Eilbrief greifen.

Noch interessiert mich, wie in Köln die Lage ist. Seit Ihr schon in den Luftschutzkeller geklettert? Sind schon feindliche Flieger über Köln gewesen? Habt Ihr ein Flugblatt der Engländer schnappen können, dann schickt es mir bitte, ich möchte doch auch mal lesen, was unsere lieben Vettern uns durch Luftpost zu bestellen haben. Also liebe Christa, Du hast hiermit Grund genug, zu einem Federhalter zu greifen und mir einen langen Brief zu schreiben. Solltest Du aber dazu nicht in der Lage sein, so wirst Du ja wohl jemand haben, den Du mit dieser Arbeit belästigen kannst. Ich bitte Dich nur diese Arbeit nicht zu weit hinauszuschieben, da ich ja nicht weiß, wann ich zum Militär einrücken muss. In diesem Fall würde ich also erst wieder nach Wochen in der Lage sein mit Euch in Köln in briefliche Verbindung treten zu können.

So, das ist also alles im Schweiße meines Angesichts geschrieben und damit für heute Schluss.

Dir aber sende ich besten Gruß und

H e i l   H i t l e r
Dein

Besten Gruß an die andere Gesellschaft.